Der Orkan Kyrill - Kein
Einzelfall
Krisenmanagement bei Naturkatastrophen
koordiniert
von Christa Schlager
Immer mehr Naturkatastrophen
drohen durch den Klimawandel und stellen für die
Verkehrsunternehmen eine große Herausforderung dar. In der
Nacht vom 18. auf den 19. Jänner 2007 brauste der Sturm
„Kyrill“ durch Europa und traf mit voller Wucht auch Bayern
und Salzburg.
Umgefallene Bäume, durch die Luft fliegende Dächer,
geknickte Masten machten die Durchführung eines planmäßigen
öffentlichen Verkehrs unmöglich - und doch: Die Bahnen und
der Obus in der Stadt Salzburg schafften es, dass trotz
massiver Schäden an den Strecken die Fahrgäste innerhalb
kürzester Zeit wieder planmäßig befördert werden konnten und
- was noch viel wichtiger ist - kein Menschenleben gefährdet
wurde.
Durch die ausgezeichnete
Organisation und durch den vorbildlichen Einsatz der
Mitarbeiter, die ohne Rücksicht auf ihre eigene Sicherheit
noch während des Orkans und in der Nacht mit den
Aufräumarbeiten begannen, waren mit Ende des Sturms auch
schon fast alle Strecken wieder benützbar. Wie aufregend und
wie schwierig die Abwicklung war - und wie sie meist schon
im Vorfeld bestens organisiert wurde - zeigen die Beiträge
von Stadtbus, Lokalbahn, ÖBB, Bayerische Oberlandbahn und
Südostbayern-bahn. Allen gemeinsam sei für ihren Einsatz
gedankt!
Thomas FEICHTINGER; Salzburg
AG - Salzburger Lokalbahn/Stadtbus
Salzburg: Mitarbeiter von Obus und Lokalbahn im Dauerstress
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Die SLB-Mitarbeiter begut-achten die
Zerstörung in der Berchtesgadner Straße auf
der Linie 5. Von der Ober-leitung ist nichts
mehr da.
Foto: Gunter MACKINGER
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Der FEB-Turmwagen mit her-beigeeilter
steirischer Besatz-ung beginnt in Walserfeld,
die vom abgetragenen Dach der
Walserfeldhalle geknickten Ausleger wieder
zu montieren
Foto: Gunter MACKINGER
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In der Nacht vom 18. auf den 19.
Jänner 2007 brauste der Orkan "Kyrill" mit unglaublicher
Kraft über Stadt und Land Salzburg. Die Auswirkungen dieser
Naturkatastrophe auf die Betriebsabläufe von Lokalbahn und
Obus sollen hier hautnah geschildert werden. Bereits ab 17.
Jänner 2007 wurde die Bevölkerung durch Funk und Fernsehen
vor dem Eintreffen des Orkans "Kyrill" gewarnt. Tags darauf
zeigten beeindruckende Berichte aus England und Deutschland
die Zerstörungskraft dieses Sturmtiefs. Daher wurden bereits
bei Obus und Lokalbahn erste Vorbereitungen getroffen: Es
galt, Oberleitungsmannschaften für allfällige Nachtschichten
zur Instandsetzung einzuteilen.
18. Jänner 2007
• 22:00 Uhr: Es wird ernst - Die Gleistore des Bahnhofes
Trimmelkam werden geschlossen.
• 22:45 Uhr: Umgestürzte
Bäume blockieren die Bahnstrecke der S11 |
zwischen Eching und St.
Georgen. Kurzfristig wird ein Schienen-ersatz mit örtlichen
Taxis eingerichtet.
19. Jänner 2007
• 00:01 Uhr: Ein Baum kann dem Wüten "Kyrills" nicht mehr
standhalten und stürzt bei Kilometer 21 (Arnsdorf) in die
Strecke. Der S1. Zug 77 kann Gott sei Dank noch rechtzeitig
vor dem Hindernis anhalten, die Fahrgäste werden mit Taxis
weiterbefördert.
• 00:10 Uhr: Der Sturm beginnt
in der Stadt Salzburg zu toben. Die Stromversorgung für die
Haushalte fällt teilweise aus.
• 00:30 Uhr: Die ersten vom
Orkan gefällten Bäume beschädigen die Obus-Oberleitungen.
Zum Glück befinden sich alle Trolleybusse bereits in der
Zentralgarage Alpenstraße, sodass aus Sicherheitsgründen das
gesamte Obusnetz abgeschaltet wird.
• 01:00 Uhr: Das
Notfallmanagement der Lokalbahn läuft an: So müssen die noch
befahrbaren Strecken der Lokalbahn vor den ersten Frühzügen
geprüft werden. Für die gesperrten Teile ist ein
Schienenersatz einzurichten.
• 01:30 Uhr: Die diensthabenden
Verkehrsmeister des Obus-betriebes verlängern kurzerhand
ihre Schicht und melden folgende Schäden: Linie 2 - Das Dach
der Walserfeldhalle wurde zur Gänze abgetragen, die Trümmer
knickten sämtliche Ausleger wie Zündhölzer und beschädigten
die Oberleitung zwischen Schwarzenbergkaserne und Walserfeld.
Linie 3 - In der Hellbrunner
Straße hat ein umgestürzter Baum auf ca. 150 m die
Oberleitung zerstört und einen Mast beschädigt.
Linie 5 - Zwischen Dossenweg und
Eichethofsiedlung wird der Wald zur Gänze gefällt, die Bäume
liegen kreuz und quer auf Oberleitung, die auf ca. 500 m
Totalschaden aufweist.
Linie 7 - Im Bereich des
Salzachsees ist ein Baum in die Oberleitung gefallen und hat
mehrere Ausleger sowie die Leitung selbst beschädigt.
Neben diesen "Kapitalschäden"
gibt es weitere unzählige Stellen des Obusnetzes, die durch
hereinhängende Äste und kleinere umgeknickte Bäume nicht
befahrbar sind.
• 02:00 Uhr: Einsatzbesprechung
in der Zentralgarage Alpenstraße: Ebenso wie bei der
Lokalbahn müssen die Strecken auf Befahrbarkeit geprüft
werden. Aufgrund der Lage wird ein Ersatznetz entwickelt.
Alle verfügbaren Werkstättenkräfte werden zur
Oberleitungsreparatur einberufen. Außerdem wird eine
ständige Kommunikationsschiene zu den Kräften der Feuerwehr
und Polizei aufgebaut.
• 04:00 Uhr: Die Stromversorgung
der Lokalbahnstrecken ist stabil, außerdem sind die
Stellwerksstörungen behoben. Die zum Frühdienst
eintreffenden Zugmannschaften werden über Streckensperren
und damit verbundenen Schienenersatz informiert. Eine Stunde
später nehmen die Busse der Fa. Gschaider den Schienenersatz
auf. Unterdessen arbeiten zwei
Lokalbahn-Oberleitungsmannschaften an der Wiederherstellung
der beschädigten Streckenabschnitte.
• 05:45 Uhr: Die ersten Obusse
fahren aus der Zentralgarage Alpenstraße aus. Da die
Alpenstraße noch blockiert ist, müssen die Wagen über die
Aigner Straße ausrücken. Wegen der zahlreichen Schäden
fahren die Obusse auf folgenden Notrouten:
Linie 1: EM-Stadion - Hauptbahnhof - Schule Lehen.
Linie 2: Obergnigl - Hauptbahnhof - Salzburg-Airport.
Linie 3 (Itzling - Hauptbahnhof - mit Hilfsantrieb über
Nonntal und Hofhaymer-Allee - Salzburg-Süd).
Linie 5 (Justizgebäude - Kommunalfriedhof mit Autobussen).
Linie 6: von Parsch nach Itzling normal, in der
Gegenrichtung über
die Fuggerstraße.
Linie 7: von Salzburg-Süd bis Bessarabierstraße normal, in
der Gegenrichtung über Theatergasse - Schallmoos -
Fuggerstraße.
Linie 4: verkehrt normal.
Linie 8: entfällt vorerst.
• 07:00 Uhr: Der Schaden in der
Aribonenstraße ist behoben. Die Linie 1 fährt ab sofort
wieder zum Messezentrum.
• 08:00 Uhr: Die geknickten
Bäume in der Hellbrunner Straße und am Kommunalfriedhof sind
entfernt, und die Oberleitung ist wieder in Ordnung
gebracht. Die Linien 3, 6 und 7 fahren wieder planmäßig. Die
Linie 5 wird mit Obussen - allerdings nur bis
Kommunalfriedhof - betrieben. Ein von der Fa. Marazeck
entliehener Kleinbus "Grashüpfer" stellt die Verbindung zum
Dossenweg her. Eine Weiterfahrt zur Birkensiedlung ist wegen
der Straßensperre noch nicht möglich.
• 09:10 Uhr: Die Strecke der S1
ist wieder zur Gänze befahrbar. Der Schienenersatz wird
abgezogen.
• 09:30 Uhr: Der Sturm hält
weiter in unverminderter Stärke an. Die Aigner Straße muss
wegen eines entwurzelten Baumes gesperrt werden.
• 10:00 Uhr: Die Aigner Straße
ist wieder frei, dafür gibt es Probleme mit einem Hausdach
in der Imbergstraße (Cafe Corso). Bis zur Bergung des
havarierten Daches um ca. 12:00 Uhr wird die Imbergstraße
gesperrt. Die betroffenen Obuslinien fahren über die
Fuggerstraße in Richtung Hauptbahnhof. In einer Aufsehen
erregenden Aktion lassen die Feuerwehrmänner das Dach auf
die Imbergstraße segeln, ohne dass dabei Mensch und Sachen
(sprich Oberleitungen) beschädigt werden. Danach braucht es
nur noch zusammengerollt und auf die Seite gezerrt zu
werden.
• 12:10 Uhr: Die Strecke der S11
ist wieder zur Gänze befahrbar. Somit kann das ganze
Lokalbahnnetz wieder mit Schienenfahrzeugen bedient werden.
Die freiwerdenden Oberleitungskräfte werden zur
Unterstützung der Obusmannschaften herangezogen.
• 14:00 Uhr: Aus der Steiermark
treffen Verstärkungskräfte in Form von Oberleitungsmonteuren
der Fa. FEB ein, die sofort mit der Reparatur des zerstörten
Abschnittes Walserfeld beginnen.
• 16:00 Uhr: In der Maxglaner
Hauptstraße, beim ehemaligen Maxglaner Kino, droht ein Baum
auf die Fahrbahn zu stürzen. Die Straße wird sofort
gesperrt, sodass die Linie 1 unterbrochen ist. Das
städtische Gartenamt muss nun stückweise den über 25 Meter
hohen Baum umschneiden, was ohne Beschädigung von Leib,
Leben und Leitung vonstatten geht. Um ca. 18:30 Uhr ist die
Strecke wieder frei, der Fahrstrom kann wieder eingeschaltet
werden. Die anwesenden SLB-Organe, u.a. der Schreiber dieser
Zeilen, wurden von einer karitativen und überdies auch
hübschen Anrainerin mit Kaffee und Sachertorte gestärkt.
• 18:00 Uhr: Der Sturmschaden im
Bereich des Salzachsees ist behoben, die Linie 7 verkehrt
wieder planmäßig.
• 18:30 Uhr: Der Schaden in
Walserfeld, hervorgerufen durch das abgetragene Dach der
Walserfeldhalle, ist ebenfalls wieder behoben.Die Linie 2
verkehrt wieder planmäßig. Damit waren nach nur 18 Stunden
alle Schäden bis auf den völlig zerstörten Abschnitt
Dossenweg - Eichethofsiedlung (Berchtesgadner Straße) der
Linie 5 behoben!
20. Jänner 2007
Im Bereich Dossenweg räumen die Kräfte von Berufs- und
freiwilliger Feuerwehr die kreuz und quer liegenden Bäume
von der Fahrbahn.
• 13:30 Uhr: Beginn der Arbeiten
zur Wiedererrichtung der Oberleitung. Es sind drei Turmwagen
und ein Steiger im Einsatz. Die Freiwillige Feuerwehr
Itzling stellt Scheinwerfer zur Verfügung, sodass die
Arbeiten auch in den Abendstunden fortgesetzt werden können.
21. Jänner 2007
• 01:00 Uhr: Die Probefahrt mit einem Van-Hool-Gelenkobus
verläuft problemlos, sodass die Strecke mit Betriebsbeginn
für den Linienverkehr freigegeben werden kann. Nur durch den
selbstlosen Einsatz aller beteiligten Mitarbeiter war es
möglich, den Fahrbetrieb so rasch aufzunehmen sowie die
Schäden in so kurzer Zeit zu beheben!
Walter
STRAMITZER; Salzburg AG - Salzburger Lokalbahn
Salzburger Lokalbahn: Nächtlicher Einsatz im Sturm
Der Donnerstag, 18. Jänner 2007,
ist auch an der Salzburger Lokalbahn nicht spurlos
vorbeigezogen. Gewarnt durch die ziemlich exakten
Wetterprognosen, haben sich die einzelnen Abteilungen des
Bahnbetriebes auf das bevorstehende Szenario vorbereitet und
eingestimmt. Dank flacher Strukturen und kurzer
Entscheidungswege - eine Stärke der Lokalbahn - waren die
einzelnen Rollen rasch verteilt. Die Hauptsorge traf die
Sicherung der mit großen Toren gesicherten Fahrzeughallen in
Itzling und Lamprechtshausen bzw. der Bahnhofhalle von
Trimmelkam. Auch der schon bei Stürmen mittlerer Stärke
allgegenwärtige Windwurf regte zu entsprechender
Vorbereitungsarbeiten an. Entsprechende Sonderbereitschaften
und Personalvorsorgen, vor allem beim Elektro- und
Betriebsdienst, wurden eingerichtet.
Der Sturm konnte kommen!
Schon bei Eintreffen der ersten Böen wurden um ca.
22:00h die Tore der Bahnhofshalle Trimmelkam verschlossen,
der Zugverkehr wurde zwischen Bürmoos und Trimmelkam wegen
umgeknickter Bäume eingestellt. Ein beabsichtigter
Schienenersatzverkehr konnte nicht eingerichtet werden, da
die Busse ihre Garagen nicht mehr verlassen konnten. Ein
Not-Ersatzverkehr wurde mittels Privat-PKWs eines beherzten
Lokal- |
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Ein vom Orkan „Kyrill“ auf die Schienen der
Lokalbahn ge-worfener Baumstamm im
Stierlingwald - nahe der Haltstelle Arnsdorf
- riss bei der letzten Fahrt um 23.58 Uhr
die Oberleitung ab. Dank der Umsicht des
Zugpersonals konnte der Lokalbahntrieb-wagen
bis zum Bahnhof Oberndorf zurückrollen, die
Heimreise der Fahrgäste er-folgte mit einem
Bus. Schaffner Rudi Eder war jederzeit Herr
der Situation - die "Marke" Schaffner bei
der Salzburger Lokalbahn bewährt sich.
Foto: Mag. Peter HAIBACH
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Die Fahrgäste am Bahnhof
Oberndorf erholten sich am
Oberndorfer Bahnsteig von dem Schreck
Foto: Mag. Peter HAIBACH
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bahners abgewickelt.Die übrigen Gebäude wurden
gesichert, der Sturm tobte. Die Beeinträchtigung bis
Betriebsschluss der Lokalbahn hielten sich in Grenzen,
allein der letzte Zug nach Lamprechtshausen schaffte es -
nach unfreiwilligem Halt vor einem umgeknickten Baum im
Arnsdorfer Wald - nach Rückfahrt - nur noch bis Oberndorf.
Alle im Netz der ÖBB verkehrenden Zugfahrten konnten - mit
auf 80 km/h verminderter Geschwindigkeit - abgewickelt
werden. In Deutschland war zum Glück nichts unterwegs, dort
kam der Bahnverkehr ja bekanntlich zur Gänze zum Erliegen.
In der Nacht wurde - trotz
weiterhin fegenden Sturms - an der Räumung der Gleise
(Oberbau) und an der Reparatur der beschädigten Fahrleitung
(Elektrodienst) fieberhaft gearbeitet. Zu Betriebsbeginn am
Morgen des 19.1.2007 konnte der Verkehr (mit Ausnahme einer
Unterbrechung zwischen Eching - St. Georgen und Bürmoos -
Ziegelhaiden) wieder aufgenommen werden. Ein entsprechender
Schienenersatzverkehr mit Autobussen war mittlerweile
eingerichtet,die Züge verkehrten großteils in einem auf
15-Minuten-Intervall verdichteten Takt, um die Verzögerungen
durch die längeren Fahrzeiten der Busse zu kompensieren. Die
Eisenbahner waren bemüht, alle Fahrgäste trotz der
Beeinträchtigungen ans Ziel zu bringen. Allein die
Diesellokomotiven Richtung ÖBB (Stieglbahn + Hallein)
mussten warten, das Netz der ÖBB war durch die nächtliche
Verwüstung im Raum Salzburg bis zum späten Vormittag
unpassierbar. Am Vormittag bzw. zu Mittag konnten auch die
Unterbrechungsstellen geräumt und instandgesetzt dem Betrieb
übergeben werden, der Planverkehr konnte wieder aufgenommen
werden. So manches graues Lokalbahner-Haar ist sicher dieser
Nacht zuzuordnen, die die Salzburger Lokalbahn im Vergleich
zu manchen Kollegen wohl mit einem 'blauen Aug' überstanden
hat - dank flacher Struktur, kurzer Entscheidungswege und
einer hochmotivierten Mannschaft!
Heino SEEGER,
Bayerische Oberlandbahn
Die Bayerische Oberlandbahn: Sturmvorbereitungen machten
sich bezahlt
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Normalbetrieb auf der BOB: Der Triebwagen
“Integral” vor dem Schliersee in Richtung
Bayrischzell
Foto: BOB
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Am Donnerstag, den 18. Januar 2007, wütete einer der
schwersten Stürme der vergangenen Jahre über Europa
- der Sturm „Kyrill“. Bereits Tage vorher hatten die
Wetterstationen den Sturm angekündigt. Zeit genug
für die Bayerische Oberlandbahn GmbH, kurz BOB, sich
auf dieses Unwetter vorzubereiten. Schon nach den
ersten Vorhersagen nahmen die BOB und die DB Netz AG
miteinander Kontakt auf, |
um ein gemeinsames Vorgehen zu planen. Die zwei Spurloks V 125 und V 126 (ehemalige
DB-BR 211 und 212) der BOB sollten regelmäßig die Strecken
abfahren, um zu kontrollieren, ob diese für die nachfolgenden
Züge, ob S-Bahn, DB Regio oder BOB, befahrbar waren, und sie
gegebenenfalls von Bäumen, Ästen oder anderen Hindernissen
zu befreien. Sofort erklärte sich DB Netz bereit, die
hierfür benötigen Trassen bereitzustellen. Vor Beginn des
Sturms fuhr die BOB eine der beiden Lokomotiven aus dem
Bahnbetriebswerk in Lenggries nach Bayrischzell. So wurde
sichergestellt, dass sich nicht beide Loks gleichzeitig auf
einem Streckenast befanden, falls der Sturm diesen
blockieren sollte. Gleichzeitig waren jeweils zwei
Notfallmanager der BOB auf den Streckenästen nach
Bayrischzell und Lenggries/Tegernsee im Einsatz. Die DB Netz
teilte ebenfalls einen zweiten Notfallmanager ein.
Notfallmanager und beide Spurloks waren jeweils mit
Kettensägen und anderen Gerätschaften ausgerüstet, um
nötigenfalls die Gleise von Hindernissen befreien zu können.
Aufgrund der Streckenbefahrung
durch die beiden Loks und des Einsatzes der Notfallmanager
konnte die Bayerische Oberlandbahn ihren Betrieb am Tag des
Sturms noch bis zirka 22:00 Uhr aufrechterhalten. Zu diesem
Zeitpunkt hatten die DB Regio und die S-Bahn München ihren
Betrieb bereits seit einigen Stunden eingestellt. Um 21:40
Uhr verließ der letzte reguläre Zug der BOB München Hbf in
Richtung der End- und Wendebahnhöfe. Die Lokführer der Züge
wurden angewiesen, langsamer als die Höchstgeschwindigkeit
gemäß Buchfahrplan zu fahren, um mögliche Kollisionen mit
Bäumen zu verhindern oder zumindest abzumildern. Teilweise
mussten die Züge vor umgestürzten Bäumen anhalten und
konnten erst nach der Beseitigung des Hindernisses durch die
BOB-Bereitschaft weiterfahren.
Während der ganzen Nacht von
Donnerstag auf Freitag waren die Notfallmanager der BOB in
Abstimmung und in Kooperation mit den örtlichen Feuerwehren
und dem Notfallmanagement der DB Netz AG unterwegs, um die
Strecken von umgestürzten Bäumen zu befreien. Auf diese
Weise konnte die BOB am Freitagmorgen mit nur einer Stunde
Verspätung ihren Betrieb auf den drei Ästen von
Bayrischzell/Tegernsee/Lenggries bis Holzkirchen wieder
aufnehmen. Den ersten planmäßigen Zugfahrten vorausgegangen
waren wiederum Erkundungsfahrten mit den beiden
Diesellokomotiven, verbunden mit erheblichen
Aufräumungs-arbeiten. Zwischen Holzkirchen und München
dauerten die Aufräum- und Instandsetzungsarbeiten noch den
gesamten Tag an. Erst ab Mittag war die Strecke zwischen
Holzkirchen und München Hbf wieder befahrbar. Noch während
des gesamten Tages kam es immer wieder zu Behinderungen, da
durch den Sturm bereits gelockerte Bäume weiterhin auf die
Gleise stürzten. Davon war besonders die Strecke zwischen
Schliersee und Bayrischzell betroffen, sodass die BOB
zeitweise einen Schienenersatzverkehr einrichten musste.
Dank der guten Zusammenarbeit
mit DB Netz und den Feuerwehren konnte der Fahrgastbetrieb
der BOB lange aufrechterhalten und nach kurzer Verzögerung
am nächsten Morgen wieder frühzeitig aufgenommen werden. Am
Samstag, den 20. Januar, hatte sich der Betrieb der BOB
wieder normalisiert und wurde regulär durchgeführt.
Mag. Johannes GFRERER, Österreichische
Bundesbahn
ÖBB: Sicherheit der Fahrgäste im Mittelpunkt
Die ÖBB zählen zu den größten
Grundeigentümern Österreichs. Die Grundstücke der
Bahn haben eine ganz eigene Charakteristik: Sie sind
eher schmal und ziehen sich dafür in die Länge, sind
vernetzt und verbinden die wichtigsten Orte und
Städte des gesamten Bundesgebietes. Die Orte und
Städte werden miteinander möglichst geradlinig und
steigungsfrei verbunden, ohne jedoch die
topografischen Verhältnisse dazwischen aufheben zu
können. So ziehen sich die Bahnstrecken durch Flach-
und Hügelland, führen über Flüsse, entlang von
Klammen, durch Bergmassive, winden sich Bergrücken
entlang, queren Seitentäler und Wälder. Die Bahn
lehnt sich also an die Top-ografie an und muss sich
an die Natur |
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Das Dach des Bahnhofs-restaurants wurde
durch „Kyrill“ abgedeckt. Aus
Sicherheitsgründen wurde der "Marmorsaal"
gesperrt, da befürchtet wurde, das
zu-sammengerollte Blechdach könnte durch die
Glaslichte in das Restaurant hinabstürzen.
Nachdem das Dach mit Seilen fixiert worden
war, konnte das Restaurant wieder
frei-gegeben werden. Foto: ÖBB
|
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mit ihren Phänomenen anpassen. Deshalb versucht man
seit dem Beginn der Bahnbauzeit, die Natur in Zaum zu
halten. Die ersten Lawinenschutzverbauungen Österreichs
wurden entlang der Bergstrecken der Eisenbahn errichtet.
Auch heute wird bei den ÖBB professionelles
Naturgefahrenmanagement betrieben. Potentielle Gefahren
werden erkannt und minimiert. Trotzdem kann es durch starke
Niederschläge zu Vermurungen oder zu Lawinenabgängen kommen
- bei Stürmen stürzen immer wieder Bäume um, die
Fahrleitungen herunterreißen können oder die Bahntrasse
verlegen.
Ziel der ÖBB ist es, auch in
solchen Situationen professionell zu agieren. Die Sicherheit
der Fahrgäste steht im Mittelpunkt, aber auch deren
Bedürfnis, trotz aller Widrigkeiten möglichst pünktlich an
ihr Ziel zu kommen. Genauso ist es für die österreichische
Wirtschaft von enormer Bedeutung, sich auf die Bahn als
guten Partner verlassen zu können. Und das auch in
schwierigen Situationen.
Die ÖBB als Bahngesellschaft mit
zahlreichen Gebirgsstrecken verfügen neben der Jahrzehnte
langen Erfahrung mit Naturgefahren auch über ein sehr
professionelles Krisenmanagement. Im Ernstfall wird zentral
in Wien und regional ein Krisenstab einberufen, um die
richtigen Entscheidungen rasch treffen zu können.
Beim Orkan Kyrill trat der
zentrale Krisenstab in Wien am Vortag zusammen, als bereits
abzusehen war, dass Kyrill tatsächlich hohes
Zerstörungspotential haben werden. Es wurde eine bundesweite
Geschwindigkeitsbeschränkung für alle Züge verhängt, um im
Falle von potenziellen Hindernissen auf den Gleisen mit
einem geringeren Bremsweg die Züge rascher anhalten zu
können. Für manche Regionalstrecken, wie auch die
Pinzgaubahn, wurde für den Folgetag ein
Schienenersatzverkehr organisiert. Bei der Pinzgaubahn war
es ja im November 2002 zu einem tödlichen Zwischenfall
gekommen, als eine Orkanböe eine Garnitur der Schmalspurbahn
aus den Schienen hob und diese umkippte.
Für die Nacht von 18. auf 19.
Jänner 2007 wurden im Norden Österreichs 150 Personen
zusätzlich in Bereitschaftsdienst versetzt. Diese
verbrachten die Nacht in ihren Dienststellen. Die
Entscheidung zur Aufstockung des Bereitschaftspersonals hat
sich als richtig herausgestellt, da die Mannschaften die
ganze Nacht hindurch hunderte Bäume, welche in die Gleise
gestürzt waren und teilweise die Fahrleitung zerstört
hatten, von den Strecken entfernten und die Fahrleitungen so
rasch wie möglich wieder in Stand setzten.
Der Orkan zog vor allem in
Salzburg, Oberösterreich und Teilen Niederösterreichs seine
Spur der Verwüstung. In diesen drei Bundesländern waren so
gut wie alle Bahnstrecken zumindest teilweise
unterbrochen. Das "Glück" für unsere Fahrgäste war, dass in
den Nachtstunden das Krisenmanagement voll gegriffen hat und
ein Großteil der Schäden vor dem Einsetzen des
Morgenverkehrs bereits beseitigt werden konnte. Die Westbahn
zwischen Linz und Wien konnte bis auf kurze Rückschläge vor
dem Beginn des großen Pendleransturmes in den Morgenstunden
wieder in Betrieb gehen. Gerade in Salzburg war die
Situation schwieriger. Im Flachgau, direkt beim Hauptbahnhof
und zwischen Hallein und Salzburg, stürzten Bäume, Dächer
oder Gebäudeteile auf die Schienen. Durch den massiven
Einsatz aller ÖBB-Mitarbeiter, der Feuerwehren und sonstiger
Helfer konnte die Grundmobilität der Westbahn in den frühen
Vormittagsstunden wieder gewährleistet werden.
Der Fall „Kyrill“ zeigte, dass
die Zusammenarbeit des regionalen Krisenstabes mit den
Behörden sehr gut funktionierte und die Koordination
innerhalb der ÖBB-Gesellschaften im Krisenfall durch eine
straffe Organisation ebenfalls gut ablief. Im Krisenfall hat
der ÖBB-Einsatzleiter das Sagen und die
Entscheidungsbefugnis über andere Teilgesellschaften der
ÖBB.
Regional konnte organisiert
werden, dass bereits am Abend in Salzburg gestrandete
Reisende, die nicht mehr nach Deutschland weiterreisen
konnten, von ÖBB-Mitarbeitern und dem Roten Kreuz in den
Zügen mit Tee, Decken und Frühstück versorgt wurden. Die ÖBB
organisierten zudem am Vormittag des 19. Jänner - während
der Nacht waren Ersatzverkehre über die Autobahn zwischen
Salzburg und München auch nicht möglich - einen
Schienenersatz-verkehr mit Postbussen von Salzburg nach
München.
Für die Kunden ist im Fall
solcher Krisen die Information essentiell. Denn Fahrgäste
bringen Verständnis für Verzögerungen auf, wenn sie wissen,
was die Ursache ist und wie es weiter geht. Die
Schwierigkeit, den Kunden immer exakte Auskünfte über die
weitere Entwicklung zu geben, ist evident. Denn die
Einschätzung, wie rasch eine Strecke wieder von Bäumen
befreit sein wird bzw. ab wann die Fahrleitung wieder unter
Strom steht, ist nicht immer leicht zu treffen.
Andreas HAGENBERGER,
SüdostBayernBahn
SüdostBayernBahn: Alle
Fahrgäste kamen wohlbehalten nach Hause
|
Sturmschäden waren auf vielen Teilstrecken
im deu-tschen Bahnnetz zu ver-zeichen. Auch
eine Schwester der BOB im Netz der DB AG -
die Kurhessenbahn - war massiv betroffen.
Quelle: SOB
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Die Orkannacht im Januar traf
Deutschland nicht unvorbereitet. So, wie sich jeder Haus-
oder Grundbesitzer, jeder Geschäftsmann oder jede Spedition
bereits im Vorfeld Gedanken darüber machen konnte, ob und
wie man den drohenden Naturgewalten möglichst effektiv
begegnen kann, so haben auch wir als SüdostBayernBahn (SOB)
ein Krisenszenario entworfen und waren daher als Verkehrs-
und Infrastrukturunternehmen gut vorbereitet. |
Was haben wir konkret getan?
Aufgrund der zu erwartenden Auswirkungen des Orkans hatten
wir ein Lagezentrum mit Sitz in Mühldorf
eingerichtet,welches bereits am frühen Morgen des 18. Januar
seine Arbeit aufgenommen hat. Bei den hier tätigen 10
Kollegen liefen alle Fäden zusammen, hier wurden in enger
Abstimmung mit den Transport- und Betriebsleitungen die
Entscheidungen über den Einsatz des bereitstehenden
zusätzlichen Personals getroffen, von hier aus wurden die
vorausschauend bereitgestellten Reservebusse angefordert,
hier wurden die Wettermeldungen verfolgt und an die
Mitarbeiter weitergegeben sowie die direkte
Kundeninformation angestoßen. Kein Reisender musste in der
Orkannacht auf einem Bahnhof der SOB ausharren. Alle kamen -
wenn auch mit Schwierigkeiten und Verspätungen – mittels
Bussen oder Taxen an ihr Ziel.
Der Einsatz eines speziellen
Krisenstabes und die Bündelung dieser Kräfte in einem
regionalen Lagezentrum haben sich aus unserer Sicht bewährt.
Auch die Mitarbeiter, die während des Orkans im Innen- oder
Außendienst eingesetzt waren, haben diese
"Verwaltungssichtweise" bestätigt. Zudem hatten wir bereits
im Vorfeld an besonders gefährdeten Stellen vorausschauend
Freischnitte an den Strecken veranlasst.
Von „Kyrill“ betroffen waren
letzten Endes alle Strecken der SüdostBayernBahn. Am Abend
des 18. Januar mussten wir um 19:45 Uhr den gesamten
Zugverkehr einstellen. Wie im übrigen Netz der Deutschen
Bahn fuhr also auch bei der SüdostBayernBahn am späten Abend
kein Zug mehr. Etliche Bäume hatten die Strecken
unpassierbar gemacht. Bei aller Naturgewalt ist es daher
erfreulich, dass wir bei uns keinerlei Personenschäden, aber
auch keine Fahrzeugschäden, weder an Lokomotiven noch an
Triebwagen, zu verzeichnen hatten. Ab 3:00 Uhr früh am 19.
Januar wurden dann doppelt besetzte Lokomotiven auf die
Strecken geschickt. Das Personal hatte Kettensägen dabei, so
dass unmittelbar mit der Räumung begonnen werden konnte. Die
Reihenfolge der Befahrung und der damit einhergehenden
Räumung hatte der Krisenstab soweit wie möglich akribisch
geplant, sodass bereits um 7:00 Uhr der erste Zug der
SüdostBayernBahn wieder fahren konnte. Dieser Zug zwischen
Mühldorf und München war zugleich der erste Zug, der in
Bayern nach dem Orkan wieder fuhr. Darauf waren die
Mitarbeiter der SOB zu Recht stolz.
Summa summarum waren in der
Sturmnacht rund 50 Leute zusätzlich im Einsatz. Erstmalig
haben wir dabei die einzelnen Arbeits- und
Entscheidungsschritte fast dokumentarisch festgehalten und
protokolliert. Somit können wir die rund um „Kyrill“
gemachten Erfahrungen besser auswerten, die positiven Dinge
möglichst verallgemeinern und all das,was noch nicht zu
unserer Zufriedenheit oder zur Zufriedenheit unserer Kunden
gelaufen ist, künftig verbessern.
Die Autoren |
Thomas FEICHTINGER
ist Assistent der Centerleitung bei der
Salzburger Lokalbahn/Stadtbus und daher u. a.
verantwortlich für die Fahrplanerstellung der acht
Obuslinien.
Walter STRAMITZER
ist Abteilungsleiter „Schiene“ bei der Salzburger
Lokalbahn
Heino SEEGER ist
Geschäftsführer und Oberster Betriebsleiter der
Bayerischen Oberlandbahn GmbH und Regionalleiter der
Veolia Verkehr GmbH für die Region Süd
Mag. Johannes GFRERER
ist in der ÖBB-Holding AG für die
Konzernkommunikation für Salzburg zuständig
Andreas HAGENBERGER
ist Qualitätsbeauftragter der SüdostBayernBahn |
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