Die „Perlen der Alpen“ setzen auf umwelt-
freundliche Mobilität
von Dipl.-Ing. Ernst Lung
„Perlen der Alpen“, was verbirgt
sich hinter diesem Begriff? Vordergründig würde ich als
nicht „Eingeweihter“ an Edelsteine oder Halbedelsteine
denken, die man irgendwo in einem entlegenen Tal der Alpen
findet. Doch Edelsteine sind passiv und können doch nichts
für umweltfreundliche, sanfte Mobilität tun.
Nun, ich will die Leserinnen und Leser nicht länger raten
lassen, sondern gleich das Geheimnis lüften: Die Perlen der
Alpen sind Urlaubsorte, die sich selbst verpflichtet haben,
strenge ökologische Kriterien in allen Bereichen des
Tourismus einzuhalten, wobei umweltfreundlicher und sicherer
Mobilität besondere Bedeutung zukommt, wie die nachfolgende
sinngemäße Beschreibung zeigt.
Allgemeine Kriterien
• Der Ort verfügt über ein den touristischen Bedürfnissen
entsprechendes umweltverträgliches Mobilitätssystem.
• Der Ort verfügt über ausgewiesene Bereiche hoher
Aufenthaltsqualität für Fußgänger und Radfahrer
• Der Ort informiert über die autofreie Anreise in den
Ort/Destination
• Der Ort verfügt über eine zentrale Informationsstelle über
umweltverträgliche Mobilität zur „Perle“, im Ort und in der
Region
mit kundenfreundlichen Servicezeiten und arbeitet mit
regionalen Mobilitätszentralen eng zusammen.
• Der Ort verfügt über ein von der Kommune beschlossenes
schriftliches Verkehrsentwicklungskonzept mit engagierten
ökologischen Zielen
An und Abreise
• Der Ort ist an allen Tagen zwischen 8 und 22 Uhr
mindestens alle zwei Stunden auch ohne eigenen Pkw
erreichbar,wobei in kleinen „Perlen“ Anrufsammeltaxis und
der Abholung von Gästen durch die Beherbergungsbetriebe
große Bedeutung zukommt.
• Der Gepäcktransport zum/vom nächstgelegenen
Fernverkehrsbahnhof ist gewährleistet.
• Der Ort unterstützt und berät Gäste aktiv bei der
Organisation der autofreien Anreise durch: 1. Suchen der
günstigsten/schnellsten Verbindung mit öffentlichen
Verkehrsmitteln von und zum Heimatort in die Perle der
Alpen; 2. Abholung/Gepäckservice.
• Auf die Werbung für die An- und Abreise mit dem Flugzeug
wird bei Entfernungen bis zu 500 Kilometern verzichtet. Bei
Flugreisen ab einer Distanz von 2.000 km wird eine
Aufenthaltsdauer von mindestens 7 Tagen beworben.
• Die Mitarbeiter der Tourismusorganisation werden
nachweislich jährlich zur Philosophie der Alpine Pearls und
damit zu den sanft mobilen Angeboten geschult.
Mobilitätsgarantie
• Der Ort ist an das regionale Netz des ÖPNV-Angebot
angebunden, das auch an den touristischen Bedürfnissen
orientiert ist. Für die Dauer ihres Aufenthalts ist den
Gästen eine regionale Netzkarte für den ÖPNV
anzubieten.
•Wenn es die Ortsgröße erfordert, ist ein innerörtliches
umweltverträgliches Mobilitätsangebot anzubieten (z.B.
Ortsbusse, Anrufsammeltaxis, E-Fahrzeuge, Pferdekutschen
etc.) dessen Benutzung für Gäste, die autofrei angereist
sind oder während ihres Aufenthalts auf den Pkw verzichten,
in der Gästekarte enthalten ist und daher keine Extrakosten
verursacht.
• Soweit dies vom Ort beeinflusst werden kann, ist beim
Angebot des ÖPNV auf die Bedürfnisse von Menschen mit
Behinderungen Rücksicht zu nehmen (z.B. Einsatz von
Niederflur-Fahrzeugen)
• Im Ort gibt es mindestens ein Fahrradverleihservice, bei
dem auch qualitativ hochwertige Elektrofahrräder ausgeliehen
werden können.
• Der Ort/die Destination verfügt über ein attraktives Fuß-
und
Wanderwegenetz.
Die „Perlen der Alpen“ bieten
somit ein Angebot, das Urlaub ohne Auto und für viele, die
im Alltag Pkws nutzen müssen, „Urlaub vom Auto“ ermöglicht
und Spaß macht. Nicht zu vergessen ist, dass bessere
Angebote öffentlicher Verkehrsmittel einschließlich der
Anrufsammeltaxis und Rufbusse, welche auf Bestellung durch
die Fahrgäste verkehren, auch die Mobilitätsmöglichkeiten
der Einheimischen in den Ferienregionen erheblich
verbessern.
Schließlich ist zu
berücksichtigen, dass durch den touristischen Verkehr die
Auslastung regionaler öffentlicher Verkehrsmittel im
Tagesverlauf und auch saisonal wesentlich verbessert werden
kann: Touristen starten zumeist nach einem gemütlichen
Frühstück in der Unterkunft, wenn Pendler und Schüler schon
am Ziel sind und in Bussen und Bahnen Kapazitäten frei sind.
Die stärkste Nachfrage im touristischen Verkehr tritt in den
Schulferien auf, wenn in Busbetrieben und im Schienennah-
und -regionalverkehr oft ausreichend Kapazitäten frei sind,
die betriebswirtschaftlich sinnvoll durch den
Freizeitverkehr genützt werden können.
Zusammenfassend betrachtet
ergeben sich also klassische „Win-
Win-Situationen“ für die Fahrgäste und für Unternehmen im
öffentlichen Personenverkehr.
Den „Perlen der Alpen“ kommt
auch eine Pionierfunktion zu, deren Wirkung weit über die
lokalen Beiträge zur Umweltentlastung hinausgeht: Wenn die
Urlaubsgäste in den „Perlen“ mit den „sanft-mobilen“
Angeboten zufrieden sind, dann sind sie eher bereit auch ihr
alltägliches Mobilitätsverhalten zu überdenken und
Alternativen zum Pkw zu nützen.
Schon 22 „Perlen“ laden zum
Urlaub ein
Derzeit gibt es 22 Perlen, davon drei in Österreich.
Werfenweng
war eine Perle der ersten Stunde und ist seit der Gründung
des Dachverbandes im Jänner 2006 dabei. Später sind
Hinterstoder und Neukirchen am Großvenediger dazugekommen.
Alle „Perlen“ zusammen repräsentieren rund 10 Mio.
Gästenächtigungen jährlich. Geht man von durchschnittlich
fünf Nächtigungen pro Gast
aus, so werden die Perlen von zwei Mio. Menschen besucht,
deren
An- und Abreisen vier Mio. Fahrten ergeben. Gelingt es den
„Perlen“, wie beispielsweise Werfenweng, 25% ihrer Gäste zur
Bahnreise zu motivieren, so bedeutet dies für die
europäischen Bahnen eine Mio. zusätzliche
Langstreckenfahrgäste.
Die Erfahrungen der bereits seit
Mitte der 1990-er Jahre auf sanfte
Mobilität im Tourismus setzenden Perle Werfenweng zeigen,
dass „Urlaub ohne/oder vom Auto“ durchaus gefragt ist und
sich Bemühungen um den mit der Bahn anreisenden Gast lohnen.
In Werfenweng konnte die
Gästeanzahl mit dem Angebot „Urlaub ohne Auto“ verdoppelt
werden. Gäste, die ohne Auto anreisen, erhalten in dieser
Perle einen „Sanft-Mobil-Schlüssel“ mit zahlreichen
Vorteilen. Die Steigerungsraten der Betriebe, die das
Produkt „Urlaub vom Auto“ (sanft mobil, kurz SAMO-Betriebe)
anbieten, sind:
+ 109,36 % in den Wintersaisonen 1996/1997 bis 2004/05
+ 59,58 % in den Sommersaisonen 1997 bis 2004
Der große Erfolg der Betriebe in
der Angebotsgruppe „Urlaub vom Auto“ zeigt, dass
sanft-mobile Ökotourismusangebote auch wirtschaftlich
erfolgreich sein können. Umweltschutz und innovative
Tourismusbetriebe sind erfolgreiche Partner!
Der volkswirtschaftliche Nutzen,
der mit diesen Nächtigungszuwächsen in Werfenweng erzielt
werden konnte, liegt bei rund € 3.387.000,–.
(Nächtigungsplus mal ca. E 73,– Mehrumsatz pro Gast und
Nacht – Wert laut „Gästebefragung Österreich“.) Da die
Modellgemeinde Werfenweng ihr Werbekonzept mittlerweile ganz
auf das Produkt „Urlaub vom Auto“ ausgerichtet hat und keine
zusätzlichen Betten im Ort eingerichtet wurden, kann davon
ausgegangen werden, dass dieser Mehrumsatz ausschließlich
diesem Produkt und damit dem Modellvorhaben „sanfte
Mobilität“ zuzuschreiben ist.
Auch bei der An- und Abreise
erzielte Werfenweng respektable Erfolge:
• Dank der Bewerbung der Bahnanreise und der Einrichtung des
„Werfenweng-Shuttles“ konnte der Anteil der Gäste, die in
den Wintersaisonen mit der Bahn anreisen von unter 10 % auf
über
25 % gesteigert werden. Das „Werfenweng-Shuttle“ ist ein
Anrufsammeltaxi vom IC-Bahnhof – Bischofshofen über
Pfarrwerfen nach Werfenweng, das zusätzlich zu den Buskursen
täglich im Zwei-Stunden Takt von 8 – 22 Uhr Verbindungen
anbietet. Monatlich werden über 1.000 Fahrgäste befördert.
• Werfenweng ist Kooperationspartner von AMEROPA, dem
größten deutschen Anbieter von Bahnreisen.
• Über Railtours Austria wird ein „Alpenperlen-Ticket“ für
die ÖBB
angeboten, das nicht nur die An- und Abreise mit der Bahn
und mit Postbussen ermöglicht, sondern an mindestens drei
Tagen als Netzkarte für das gesamte ÖBB Schienennetz und die
Postbusse gilt. Die Kosten für drei Tage betragen in der 2.
Klasse E83,– Voraussetzung ist allerdings ein
Buchungsnachweis in einer „Perle“.
Ich hoffe, die Leserschaft mit
dieser Einführung motiviert zu
haben, die „Perlen der Alpen“ näher kennen zu lernen. Dazu
ist am
besten die Homepage www.alpine-pearls.com geeignet.
Für interessierte (potenzielle)
Gäste besteht natürlich auch die
Möglichkeit die Dachorganisation der „Perlen der Alpen“ per
Briefpost zu kontaktieren:
Alpine Pearls
c/o TVB Werfenweng
Mag. Karmen Mentil oder Hr. Dr. Peter Brandauer
A-5453 Werfenweng
e-mail: info@alpine-pearls.com
Tel.: +43/6466/20020
Die nachstehende Abbildung
zeigt, wo in den Alpen die „Perlen“
zu finden sind:
Zum Autor |
|
DI Ernst LUNG,
Jahrgang 1956, Raumplaner mit Schwerpunkt
Verkehrsplanung, Mitarbeiter des
Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und
Technologie, zuständig für die Konzeption und
Betreuung von Projekten in EU- Regionalförder-
programen, insbesondere zum Thema „sanfte“ Mobilität
im Tourismus. Die „Perlen der Alpen“ sind im Rahmen
des Projekts „Alps Mobility II – Perlen |
|