Nur scheinbar unbequem
und millionenfache
Realität
von Karl Regner
Schifahren ohne Auto?
Schi, Schuhe und Gepäck
schleppen? Nein danke,
sagen viele spontan.
Doch Wintersport ohne
eigenes Auto ist
millionenfache Realität.
Millionen Wintersportgäste
kommen mit Flugzeugen in die Alpen, allein in Salzburg
landen im Winter durchschnittlich 230.000. Die meisten sind
dann mit Transferbus, Schibus, Seilbahn und (Sammel-)Taxis
ausreichend mobil. Ein Leihauto nehmen nur wenige. Die
Ausrüstung wird in zunehmendem Ausmaß nicht mehr
mitgebracht, sondern ausgeliehen. Manche Schigebiete bieten
auch nachts Beförderung zu moderaten Preisen an
(beispielsweise Nachtbusse „James“ in Lech im Linienbetrieb
bis 3 Uhr früh, Wirte-Taxi nachts um 4 Euro zwischen St.
Michael im Lungau, Katschberg und Rennweg).
Schibusse sind Standard
Einer der Schibuspioniere war die Region Kitzbühel. Zur
Spitzenzeit fährt alle 10 bis 15 Minuten ein Bus, teils sind
Gelenkbusse im Einsatz. Mit 30 Bussen im Einsatz werden
täglich bis zu 15.000 Wintersportgäste befördert, pro
Wintersaison sind es rund 1,5 Millionen. Zur Hochsaison
beeinträchtigt der Autostau in Kitzbühel und Umgebung
trotzdem den Busverkehr.
Gratisschibusse sind
mittlerweile in fast allen Schigebieten Standard. Auf der
Seite www.lech.abfahrtszeiten.at kann man die Abfahrtszeiten
der Schi- und Linienbusse in Lech sogar in Echtzeit ablesen.
In dünner besiedelten Regionen helfen die Schibusse, das
Fahrplanangebot zu verdichten und die Attraktivität des
Systems Öffentlicher Verkehr zu steigern. So stiegen durch
die Vertaktung und Umwandlung der Schi und Schülerbusse in
reguläre Kurse die Fahrgäste im Lungauer Linienbusverkehr
von 98.000 im Jahr 1997 auf 270.000 im Jahr 2006 (ohne
Schülerfreifahrten).
Regionalzüge besser nutzen
Noch nicht so verbreitet ist die Nutzung von Regionalbahnen
als „stauunabhängiger Schibus“: Dabei gibt es Vorbilder wie
die Zillertalbahn, mit der 2006 rund 133.000
Wintersportgäste befördert wurden. Im oberen Nonstal (Provinz
Trient) wurde die elektrische Schmalspurbahn um etwa
zwölf km bis zum Schigebiet von Madonna di Campiglio
verlängert, der Endbahnhof liegt neben der Talstation. Bei
der Murtalbahn ist der Schizug vom Kreischberg nach Murau im
Kursbuch enthalten.
Nach diesen Vorbildern könnten
auch die Pinzgaubahn, die Westbahn zwischen St. Johann in
Tirol und Hopfgarten und die Ennstalbahn zwischen Eben und
Haus besser für den Transport der Wintersportgäste genutzt
werden.
Das Schizug-Angebot unter dem
Namen „Snow&Fun“ beinhaltet Bahnfahrt, Bustransfer und
Schitageskarte und ist vor allem bei Jugendlichen beliebt,
weil der Gesamtpreis des Pakets nur knapp über dem Preis der
Liftkarte liegt und weil alle Züge zum/vom jeweiligen
Schigebiet benützt werden können. Die Aktion gibt es in
vielen Schigebieten in Oberösterreich, Salzburg, Steiermark
und Niederösterreich. Eine Besonderheit ist der von Linz ins
Salzkammergut führende Regionalzug mit den Namen
„ÖBB-Frühstück-Express“. Bei der Rückfahrt mit Disco-Waggon
und Bar heißt er „ÖBB-Après-Ski Express“. Beim
Hahnenkammrennen in Kitzbühel werden an drei Tagen
zehntausende Fahrgäste mit den Gratis-Pendelzügen zwischen
St. Johann und Kirchberg befördert, außerdem halten
Schnellzüge außerplanmäßig bei der Haltestelle Hahnenkamm.
Beim Weltcupslalom in Schladming hingegen binden die
Veranstalter Regionalzüge nicht ein.
Autofreie und autovolle
Schigebiete
Einige Schigebiete kommen ganz oder großteils ohne
Privatautos aus: Auf die Winklmoosalm im Dreiländereck
Bayern – Tirol – Salzburg werden täglich bis zu 4.000
Wintersportgäste mit Bussen auf der teils einspurigen Straße
befördert. In Zermatt gibt es rund 15.000 Gästebetten, aber
keine Privatfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren. Oberlech
(Vorarlberg) ist ein autofreier Wintersportort und nur per
Bergbahn (von 7 Uhr früh bis 1 Uhr nachts) oder über die
Piste zu erreichen. Das Gepäck der Gäste und Waren und
Lebensmittel für die Hotels werden in der Talstation in
Container verladen und von der Bergstation unterirdisch mit
elektrischen Fahrzeugen über ein begehbares Tunnelsystem in
die Hotels verteilt. Die Straße zur Seiser Alm (Südtirol)
ist von 9 bis 17 Uhr gesperrt, ausgenommen sind Autos mit
Gästen, die oben übernachten, und
Busse.
Andere Schigebiete meinen, die
Gäste bis weit hinauf mit ihren Autos fahren lassen zu
müssen. So floss in die Stubachtalstraße im Pinzgau viel
öffentliches Geld (mindestens sechs Millionen Euro von ÖBB,
Land und Gemeinde). Der Effekt: mehr Verkehr zum Schigebiet
am Weißsee, Stau in den engen Serpentinen, Lärm,
Unfallgefahr, Abgase. Man sollte dort das Autoaufkommen
beschränken, beispielsweise mit einer Maut von etwa zehn
Euro, die von allen Fahrzeugen mit weniger als vier
Autoinsassen erhoben wird (Talbewohner, Lieferanten usw.
ausgenommen). Wer zahlt, darf fahren, alle anderen können
spontane Fahrgemeinschaften bilden oder den Bus benützen.
Bei einem Großkonzert bei Wiener Neustadt wurde durch die
Staffelung der Parkgebühr (je mehr im Auto umso billiger)
erreicht, dass beim Folgekonzert bei selber Besucherzahl ein
Drittel weniger Autos waren.
Mit dem Auto zum Gletscher
Am höchsten hinauf mit dem Auto geht's im Kaunertal im
Tiroler Oberland. Alle Gäste der Bergbahn dürfen bis 2750 m
ohne Maut hinauffahren, obwohl die Natur in dieser Höhe
besonders empfindlich auf Schadstoffe ist. Der Schibus zum
Kaunertaler Gletscher hingegen ist nicht gratis, außer man
kauft einen Schipass für mindestens vier Tage.
Der Autoverkehr sollte
wenigstens durch Parkgebühren bei den Liftstationen zu den
verursachten Kosten beitragen. Es gibt aber diesbezüglich
nur wenige Ansätze, so am Jenner beim Königssee.
Parkgebühren unter dem Titel einer Verkehrserreger-Abgabe
sollten bei allen größeren Schigebieten gelten, dann hätte
keine Region einen Nachteil.
Bergbahn statt Straße
Vom Verkehrsaspekt her ist es sinnvoll, wenn der Auto- bzw.
Busverkehr von Wintersportgästen auf einer Bergstraße durch
eine Seilbahn ersetzt wird – so geschehen in Hollersbach (Pinzgau),
Waidring (Tiroler Unterland) und Seis (Südtirol). Allerdings
können Rodungen, neue Pisten und Strombedarf für neue
Beschneiungen den ökologischen Gewinn wieder zunichte
machen.
In Serfaus im Tiroler Oberland
wurde vor einigen Jahrzehnten eine Dorf-U-Bahn zur Seilbahn
hinauf gebaut – bezahlt wurde sie großteils aus
Bundesmitteln. Nachahmer gibt es bislang nicht, weil diese
Maßnahme teuer und nur in „Straßendörfern“ sinnvoll ist.
Urlaubsreise ohne Auto
Werfenweng bewirbt seit Jahren die Anreise der
Übernachtungsgäste ohne Auto. Derzeit reisen 25 Prozent ohne
Auto an. Werfenweng vermittelt den Urlaubsgästen: Wir holen
Sie gratis mit dem Sammeltaxi vom Zug ab. Im Rahmen der
Gruppe „Perlen der Alpen“ (www.alpine-pearls.com)
wird Urlaubsgästen, die ohne Auto anreisen, eine
Mobilitätsgarantie vor Ort geboten. Der Schneeexpress (www.schnee-express.com)
fährt an Winterwochenenden und in den Winterferien von
Hamburg über das Ruhrgebiet nach Wörgl und ab dort geteilt
mit vielen Halten bis Bludenz und Schwarzach im Pongau. Vor
allem für Wintersportgäste aus Ostösterreich gibt es das
Wedelweiss-Ticket (Bahnfahrt, Transfer und Schipass für 3
oder 6 Tage). Auf Wunsch wird für Gepäcktransport
gesorgt, beim Verleih gibt's Rabatt.
Es waren im Rekordjahr 2006
über 55.000 Fans, die mit der Bahn nach Kitzbühel Hahnenkamm
fuhren. Nachdem die Fans aber die Züge – insbesondere den
kostenlosen Shuttle mehrmalig nutzen (z.B. Anreise Rennen,
Anreise Feuerwerk am Abend, Anreise Slalom zu den
Durchgängen) – kamen die ÖBB auf mehr als 100.000 Ein- oder
Aussteiger, die an den Renntagen die Haltestelle Kitzbühel
Hahnenkamm frequentierten. Foto: ÖBB-Holding AG
Der Schnee-Express –
veranstaltet von Müller-Touristik aus Münster (Westfalen) –
verkehrt von Hamburg-Altona mit Zustiegshalten in großen
Ballungszentren (z.B. Ruhrgebiet) und verteilt über gezielte
Ausstiegshalte die Touristen in den klassischen Schigebieten
Österreichs wie Sportwelt Amadé, Zell am See / Kaprun,
Kitzbühel, Wilder Kaiser, Zillertal, Kaunertal, Arlberg und
Montafon. Foto: Thomas OBERKALMSTEINER
|