Wer zahlt, schafft an
Finanzierung des
Öffentlichen Verkehrs
Österreich – Schweiz –
Bayern
Das
RS-Thema
mit Beiträgen von
Hermann Knoflacher,
Georg Fuchshuber,
Michael Behringer,
Peter Vollmer und
Karl Regner
koordiniert von
Christa Schlager,
Regionale Schienen
Dieselben Probleme,
unterschiedliche
Herangehensweisen in
drei Ländern. Der große
Unterschied:
Finanzierungsengpässe
werden als
selbstverständliche
Notwendigkeit
hingenommen – wie in der
Schweiz – neue
Lösungsmöglichkeiten
werden gesucht – wie in
Bayern oder
Rieseninvestitionen in
Großprojekte aber wenig
Geld für die Bahn in der
Fläche – wie in
Österreich.
Hermann Knoflacher
Nachhaltige
Schuldenberge
In finanzielle
Schwierigkeiten kommen
der Private wie auch der
Staat, wenn sie das Geld
in falsche Projekte
investieren.Während der
Private mit den Schulden
und deren Folgen selbst
fertig werden muss,
außer er ist eine Bank,
glauben unsere Bürger,
der Staat besitze die
Fähigkeit, Geld aus dem
Nichts hervorzuzaubern.
Sie übersehen dabei,
dass jeder Cent von
ihnen – mit allen Zinsen
– zurückgezahlt werden
muss.
Zum Unterschied von der
Schweiz finanziert der
Staat langfristige
Infrastrukturprojekte
nicht aus den laufenden
Steuern, sondern durch
Schulden auf Kosten der
Österreicher. Bei der
Finanzierung von
Großprojekten ist die
öffentliche Hand sehr
spendabel:Wo es die
Bürger wirklich brauchen
und brauchen werden, ist
sie zugeknöpft. Lobbys
haben, gemeinsam mit der
Politik, bei uns ein
besonders wirksames
System der
Geldbeschaffung zu ihrem
Nutzen und auf Kosten
aller Bürger
eingerichtet. Nach dem
Slogan, den GD.
Pöchhacker als Vertreter
der Bauindustrie „Die
nächsten Generationen
sollen die Schulden
zurückzahlen, denn sie
haben auch den Nutzen
der Investitionen in die
Verkehrsinfrastruktur“
wurden in den letzten
Legislaturperioden
hemmungslos Schulden
aufgenommen.
Die kommenden
Generationen werden sich
dafür „bedanken“, dass
sie eine falsche,
überholte Infrastruktur
und auch noch die
Schulden um den Hals
hängen haben. Dieser
Spruch kann ja nur von
denen geglaubt werden,
deren Weitblick maximal
bis zur Nasenwurzel
reicht. Aber es gibt bei
uns genug davon, die
auch durchgesetzt haben,
dass das Machwerk eines
„Generalverkehrsplanes“,
das nicht das Papier
wert ist, auf dem es
gedruckt wurde, zur
Leitschnur in der
Verkehrspolitik gemacht
werden konnte.
Die kleinen Geister in
der Politik halten
Großprojekte für eine
Leistung, was sie auch
sind, übertreffen sie
doch alle Taten der
Schildbürger. Während
weit blickende
verantwortungsbewusste
Politiker schon längst
begonnen haben,
Autobahnen oder
Schnellstraßen
abzureißen, werden bei
uns noch Schulden
gemacht um diesen
verkehrplanerischen
Irrtum ad infinitum
weiter zu steigern.
Anstatt die Bevölkerung
auf die sicher auf uns
zu kommende Veränderung
zumindest durch ein
Generalabonnement für
den Öffentlichen Verkehr
vorzubereiten, wird in
das sieche Auto
investiert, in der
Hoffnung, es weiterhin
am Leben zu erhalten,
auch wenn es kein Futter
mehr findet.
Beim Öffentlichen
Verkehr wurden die ÖBB
zum Opfer der
Bauindustrie. Unter dem
Vorwand von Umweltschutz
wurde eine
Geldverschwendung durch
so genannte Großprojekte
für ein kleines Land
eingerichtet. Schon die
Pleite, die der naive
Minister Viktor Klima
mit seiner
PPP-Finanzierung beim
Semmering-Basistunnel
erlebt hat, hätte
ausreichen müssen, um
die Alarmglocken bei
jedem denkenden
Steuerzahler permanent
schrillen zu lassen.
Statt dessen wurde der
Unsinn geradezu ins
Astronomische etwa durch
den Koralmtunnel
erweitert. In Tirol wird
sogar ein Tunnel in
Längsrichtung durch das
Tal gegraben, um einen
Brennertunnel
vorzubereiten, an dem
der Güterverkehr ebenso
vorbeigehen wird wie bei
dem meist leerstehenden
„Sautrog“ quer über das
Inntal, der nach
Minister Streicher 1600
Lkw von der Straße
„absaugen“ sollte. Die
Zahl ist gar nicht so
falsch,weil sie gut zur
Zunahme des Lkw Transit
passt. Abgesaugt wird
nur das Geld, das die
Regierungen in diese
Fehlinvestitionen
verpulvern. Damit
garantiert die Regierung
den geringsten
Beschäftigungseffekt bei
maximalem Geldeinsatz.
Gerade in Zeiten der
Krise die gerade jetzt
begonnen haben, eine
dazu passende Politik
der Bürgerverachtung.
Dort, wo es dringend
gebraucht wird, im
Nahverkehr, werden
Nebenbahnen ausgedünnt
und eingestellt, anstatt
sie fit für die Zukunft
zu machen. Geradezu eine
verheerende
Verkehrspolitik betreibt
man in den Bundesländern
Nieder- und
Oberösterreich, wo
unfassbare Summen in
landschaftszerstörende
Fahrbahnbauten gesteckt
werden, aber für die
Zukunft lebenswichtige
Bahnen ausgehungert und
auf Busbetrieb
umgestellt werden. Die
Steiermark hat das
Glück, auf energische
und qualifizierte
Bürgerinitiativen zu
stoßen, die die
Bevölkerung vor den
größten Schäden schützen
können, wie im Ennstal
und über den Neumarkter
Sattel. Jenseits dieses
geht es aber in die
Abgründe der
Verkehrspolitik
Kärntens, die nicht nur
den absurden
Koralmtunnel
unterstützt, sondern
diesem neben der
Südautobahn auch noch
eine zweite Konkurrenz
mit der S37 vor die Nase
bauen will, anstatt
Neigezüge anzuschaffen,
die im Personenverkehr
dem Benutzer mehr
Fahrzeit nach Wien
verkürzen als alle
Tunnelprojekte.
Auch dürften die
Fremdenverkehrsgebiete
unter akutem „Lkw-
Transitmangel“ leiden.
Auch in Wien ist man,
offensichtlich ebenso
gesteuert von
geheimnisvollen Kräften,
dabei, die Eisenbahn von
den gut funktionierenden
Wiener Linien so weit
wie möglich abzukoppeln.
Der Hauptbahnhof, früher
Zentralbahnhof genannt,
soll dazu dienen, nicht
mehr nach Wien, sondern
durch Wien zu fahren.
Deshalb macht eine neue
U-Bahn auch einen großen
Bogen um den Bahnhof.
Dem Ganzen wird noch die
Krone dadurch
aufgesetzt, dass man
unter der Lobau das Geld
in zwei oder drei
Milliardenlöchern
versenken will, damit
auch die Wiener in den
vollen „Genuss“ des
Lkw-Transits geraten.
Dabei schreibt die
Verfassung bei der
Verwendung öffentlicher
Mittel den
Effizienznachweis vor.
Keines der Großprojekte
ist in der Lage, einen
solchen auch nur
annähernd zu erbringen,
denn diese Bauvorhaben
befinden sich dank der
vorhandenen dichten
Netze im Straßen- und
Schienenbereich entweder
im flachen Bereich
zunehmenden Nutzens, die
meisten ohnehin schon im
steil absteigenden Ast,
der durch zunehmende
Kosten entsteht. Und der
Rechnungshof sieht
diesem Treiben entweder
sehenden Auges zu oder
befindet sich im
Tiefschlaf. Allein mit
den Zinsen, die für die
Schulden des
Koralmtunnels zu
bezahlen sein werden,
könnte man in Kärnten
für alle Gemeinden einen
Viertelstundentakt des
Öffentlichen Verkehrs
einrichten. Allen
Haushalten
Klosterneuburgs könnte
man für Jahrzehnte eine
Jahreskarte des
Öffentlichen Verkehrs
schenken, hätte man das
Geld nicht in die die
Au- vernichtende und das
Gesicht der Stadt
entstellende Umfahrung,
die gar keine ist,
vergeudet.
Diese Projekte, die man
weder wirtschaftlich
noch verkehrlich
begründen kann, müssen
daher andere Grunde
haben, die, wie es mein
Freund Woltron treffend
schrieb, in
Untersuchungsausschüssen
zu behandeln wären und
nicht in einer
Fachzeitschrift. Das
wirklich Erschreckende
dabei ist aber, das die
Medien dazu nicht nur
beharrlich schweigen,
sondern sich noch dafür
hergeben dieses Treiben
– gegen besseres Wissen
– zu unterstützen. Wohl
nicht haftbar, machen
sie sich aber
mitschuldig. Sie
brauchen die Finanzlage
etwa der ÖBB gar nicht
zu beklagen. Seit Jahren
kennen sie diese und
haben nichts dagegen
unternommen. Sie
müssten, wenn sie des
Lesens kundige
Redakteure hätten, auch
die Energiesituation
kennen und werden daher
mitschuldig, wenn sie
die Autobahnbauten, und
die so genannte
Westumfahrung Linz,
sowie die zweite Röhre
am Pfändertunnel
kritiklos tolerieren und
so tun, als ob alles im
Lot wäre,obwohl es schon
deutlich den Bach
hinunter geht.
Sie verschließen sich
auch systematisch den
dringenden
Erfordernissen in den
Regionen, nach
zeitgemäßer Bedienung
mit öffentlichen
Verkehr, unabhängig vom
Wochentag nahezu rund um
die Uhr, wie in der
Schweiz üblich. Und die
Schweiz ist ohnehin
bettelarm, weil sie
nicht der EU beigetreten
ist, „Ohne Wenn und
Aber“ wie die
Österreicher.Wo ein
verkehrspolitisches
Vakuum herrscht darf man
sich nicht wundern, wenn
das Geld in schwarzen
Löchern verschwindet,
ohne das jemals ein
Licht am Ende des
Tunnels auftauchen wird.
Georg Fuchshuber
Die Finanzierung im
Öffentlichen Verkehr in
Österreich
| Viele Geldgeber
für die
unterschiedlichsten
Verkehrszwecke
Der Öffentliche
Verkehr ist in den Augen
vieler
selbstverständlich
Der Zweck des
Öffentlichen Verkehrs
liegt in der Beförderung
von Personen von A nach
B auf Basis von
Fahrplänen mit einer
regelmäßigen Bedienung
auf einer bestimmten
Strecke für jedermann
unter denselben
Bedingungen. Die
Fahrgeldeinnahmen
sollten ursächlich die
damit verbundenen
Verkehrskosten decken.
Im Fernverkehr auf
Schiene und Straße
funktioniert dieser
Grundsatz noch heute.
Tarifeinnahmen sind
das Basiseinkommen
zumindest im Busverkehr
Während die
Kostendeckung beim
Nahverkehr für eine
Grundversorgung auf
Kraftfahrlinien
einigermaßen gelingen
kann, wenn kaufmännisch
kalkulierte Tarife zur
Anwendung kommen, so ist
das für den
Eisenbahnverkehr
unmöglich. Aus
unterschiedlichen
politischen Motiven sind
daher bereits vor
Jahrzehnten öffentliche
Gelder in den ÖPNV
eingebracht worden.
Während die Schüler- und
Lehrlingsfreifahrt im
Wege einer
Tarifsubvention
(Abgeltung auf Basis von
Wochen- bzw.
Monatskarten) im Rahmen
des
Familienlastenausgleichsgesetzes
geregelt und damit den
Verkehrsunternehmen
abgegolten wurde, wurde
als
Finanzierungsszenario
für den Eisenbahnverkehr
die sogenannte
Sozialtarifabgeltung
eingeführt. Für die
seinerzeit meist
öffentlichen
Verkehrsunternehmen war
dies ausreichend, da
eine Abgangsdeckung für
ein gewünschtes
Verkehrsangebot
insbesondere beim
Schienenverkehr in der
Regel nicht bekannt war,
sondern über das
jeweilige Budget der
Gebietskörperschaft
selbst erfolgt ist.
Beide Finanzierungstitel
haben sich in den
letzten Jahrzehnten über
eine Vielzahl von
Reformschritten total
verändert und auch unter
Verwendung neuer
Bezeichnungen ihre
Kalkulationsbasis
verloren. So richtig es
war, den ÖPNV vernetzt
zu sehen und
Gemeinschafts(
Verbund)tarife
einzuführen, so
schwierig war es, die
unterschiedlichsten
Finanzierer auf dieses
neue, wesentlich
kundenfreundlichere
System abzustimmen. So
selbstverständlich es
früher war, dass eine 50
% ermäßigte Wochenkarte
den sechsfachen
Einzelpreis (sechs
Arbeitstage) gekostet
hat, weil auch die
Verkehrsleistung an
sechs Tagen einer Woche
zu erbringen war, so
unverständlich ist es,
dass nach allen
Reformschritten dieser
Wochenkartenfaktor heute
vielfach bei unter fünf
liegt, also weniger
Fahrten bezahlt werden,
als bei einer 50-%-
Ermäßigung für fünf
Arbeits- bzw. Schultage
und zehn Fahrten
anfallen würde. Bei
einer Fünf-Tage-Schul-
bzw. Arbeitswoche sollte
klar sein, dass
zumindest der Faktor
fünf erreichbar sein
muss, um die
Beförderungskosten durch
den
Verursacher/Besteller
abzudecken. Auch bei
Anwendung derartiger
Preise wäre der ÖPNV in
der Regel immer noch
günstiger als die
vergleichbare Fahrt mit
einem Pkw nur auf Basis
der Treibstoffkosten.
Wenn erfahrungsgemäß im
Kraftfahrlinienverkehr
der Anteil der
Auszubildenden im Rahmen
der Schüler- und
Lehrlingsfreifahrt am
Gesamtverkehr zwischen
50 % und 80 % liegt, ist
leicht errechenbar, dass
der
Kraftfahrlinienverkehr
im Laufe der Jahre seine
Wirtschaftlichkeit
verloren hat und
Zuschuss benötigt.
Es ist nicht
nachvollziehbar,wie der
Bundesrechnungshof
angesichts dieser Lage
bei der Schüler- und
Lehrlingsfreifahrt
Einsparungspotenziale
erkennen kann. Bei den
Bahnen ist die
Betrachtung auf Basis
der Fahrgelder im
Nahverkehr
differenzierter. Jede
Form der Tarifabgeltung
über einen mit dem
Kraftfahrlinienverkehr
vergleichbaren Tarif
hinaus, hätte keine
Nachfrage wegen der
hohen umzulegenden
Betriebskostendifferenzen,
sodass die
Sozialtarifabgeltung,
oder wie man sie auch
immer nennen mag, auch
als
Finanzierungsinstrument
wirkt. Zur Abdeckung der
Betriebskosten für einen
Schienenpersonennahverkehr
ist diese aber völlig
unzureichend.
Ein attraktiver ÖPNV
braucht
Finanzierungsstrukturen
Die erste
Finanzierungsgrundlage
zur partiellen Abdeckung
von Betriebskosten wurde
vor Jahrzehnten im
Rahmen des
Finanzausgleichsgesetzes
(FAG) geschaffen. Erst
im Jahr 2000 folgte in
Österreich ein Gesetz (ÖPNRV-G),
das zumindest ein
Beteiligungsverhältnis
des Bundes an den
Verkehrskosten des
gesamten Öffentlichen
Verkehrs regelt, wenn
sich auch Länder und
Gemeinden für den ÖPNV
engagieren. Im § 7 wurde
das
Eisenbahngrundangebot
geregelt und in den §§
24 und 26 jenes für die
Busse im Stadt- und
Regionalverkehr. Das
erste Mal in der
Geschichte des ÖPNV in
Österreich wurde damit
ein taugliches
Finanzierungsgesetz für
den Öffentlichen Verkehr
geschaffen. Dass nunmehr
sowohl bei den
Tarifausgleichen als
auch bei den
Finanzierungsbeiträgen
Einsparungspotenziale
erkannt und zum Teil
bereits durch
Finanzmittelkürzungen
durch den Bund erzielt
werden, mag viele
Ursachen haben, trotzdem
tut dies dem
Öffentlichen Verkehr
nicht gut. Angesichts
von Klimaschutz und
Umweltzielen ist die
Rücknahme von
ÖPNV-Dienstleistungen
das falsche Signal, und
es bleibt zu hoffen,
dass das Verständnis für
den öffentlichen Verkehr
und dessen
Finanzierungserfordernisse
auf allen Ebenen
geschärft wird. Nur eine
dauerhafte Finanzierung
kann das Verkehrsangebot
so stabilisieren, dass
es eine Alternative zum
Individualverkehr werden
kann und
verkehrspolitische Ziele
erreichbar sind.
Es ist so einfach, das
komplexe Zusammenwirken
zwischen Nutzung und
Finanzierung des ÖPNV zu
entflechten. Zuallererst
sind die Markterträge
wiederum für alle
Nutzergruppen auf einen
durchgängigen und
gleichen Nenner zu
bringen, und dabei ist
insbesondere die
Schüler- und
Lehrlingsfreifahrt
wiederum zumindest für
den
Kraftfahrlinienverkehr
auf eine kostendeckende
Grundlage zu stellen.
Dieser Tarif ist
gleichermaßen auch für
die Bahnen anzuwenden.
Zur Ausfinanzierung des
gewünschten
Verkehrsangebotes ist
das ÖPNRV-G geeignet, es
muss nur eingehalten
werden. Damit der
Finanzbedarf auch für
den Bund planbar wird,
ist eine jährliche
Budgetplanung mit den
Verkehrsverbundgesellschaften
der Länder abzustimmen,
und die einmal
verplanten Beiträge sind
auf die Dauer der
Verkehrsdienstverträge
sicherzustellen. Wenn
damit der Blick auf das
Wesentliche gelenkt
wird, wird es
schlussendlich der
tatsächliche Wille aller
Beteiligten sein, der
zum Erfolg führt.
Michael Behringer
Wer zahl, schafft an -
Qualitätssteigerung im
Nahverkehr
| Bahnreform in
Deutschland sichert
Nahverkehrsfinanzierung
„Ohne Moos nichts
los...“ Dieser Satz
beherrscht nicht erst in
Zeiten der weltweiten
Finanzkrise unser Denken
und Handeln. Die meisten
guten Ideen zur Umwelt-
und Verkehrspolitik
scheitern allzu oft an
der
Rentabilitätsprüfung.
„Freie Fahrt dem freien
Bürger“ gilt in erster
Linie dem individuellen
Nutzer des Systems
Straße, während die
Erfordernisse zum
kundenfreundlichen
Ausbau der sicheren,
spurgebundenen
Verkehrsmittel
zurückgedrängt werden.
In Deutschland nabelte
man im Jahr 1993 die
Bahn vom Staat ab,
entschuldete sie
vollständig von
sämtlichen Altlasten und
gründete eine
Aktiengesellschaft.
Oberstes Ziel war:
Entlastung des
Steuerzahlers. Eine
„Beamtenbahn“, geführt
als Sondervermögen des
Bundes, passte nicht
mehr in eine
wettbewerbsorientierte
Wirtschaftspolitik.
Grundsätzlich sollen
Verkehre
„eigenwirtschaftlich“
kostendeckend gefahren
werden, was mittlerweile
im Schienenfernverkehr
auf einigen Strecken zu
gelingen scheint. Die
positiven Zahlen der
DB-Bilanzpressekonferenz
müssen aber unter dem
Aspekt gesehen werden,
dass die DB AG seit
ihrer Gründung ca. 200
000 Stellen
wegrationalisert und
sich durch den Wegfall
des „Interregio“ vom
Fernverkehr in der
Fläche zurückgezogen
hat. Nur die
betriebswirtschaftlich
günstigen Strecken
werden bevorzugt mit
qualitativ hochwertigen
Produkten bedient (ICENetz
auf Neubaustrecken).
Die Daseinsvorsorge,
speziell in ländlichen
Regionen, kann aber von
kaum einer Eisenbahn
eigenwirtschaftlich mit
einer „schwarzen Null“
in der Buchhaltung
sichergestellt werden.
Man entschied sich 1996
daher, den Nahverkehr zu
„regionalisieren“ und
die Entscheidungshoheit
den Bundesländern zu
übertragen – und damit
auch die allfällige
Kofinanzierung. Dies
führte dazu, dass im
straßengebundenen ÖPNV –
gültig auch für Straßen-
und U-Bahnen – Städte,
Gemeinden und Landkreise
als Aufgabenträger
fungieren,während für
den SPNV auf Eisenbahnen
die Bundesländer direkt
die Auftraggeber und
damit auch die
Zahlmeister sind. Sie
erhalten dafür vom Bund
nach einem ständig
umstrittenen
Verteilungsschlüssel
„Regionalisierungsmittel“,
derzeit ca. 2,5 Mrd.
Euro pro Jahr, und
entscheiden dann vor Ort
selbst, was wo wie oft
gefahren wird.
Das Schienennetz ist
derzeit noch im
Alleineigentum des
Bundes, der wiederum für
Investitionen
(Neubauten,
Elektrifizierungen und
auch Unterhalt)
zuständig ist. In einer
„Leistungs- und
Finanzierungsvereinbarung“
hat der Bund mit der DB
Netz-AG einen
umstrittenen Vertrag
geschlossen, der direkte
Einflussmöglichkeiten
des „Hausherrn“
praktisch ausschließt.
Für
Stilllegungsprogramme
wurde allerdings das
„Allgemeine
Eisenbahngesetz“
geschaffen, das
willkürliche Maßnahmen
des
Eisenbahninfrastrukturunternehmens
verhindert.
|
Flirt-Triebwagen
des
Eisenbahn-Verkehrsunternehmens
„Cantus“ im
Alltagsbetrieb:
Regionalbahn CAN
31 764
abfahrbereit in
Fulda am 8.
Oktober 2008 in
Richtung Bebra
Hbf-Eichenberg –
Göttingen.
Foto: Michael
BEHRINGER |
Durch Bestellungen des
Schienenverkehrs und
Vergabe von Konzessionen
im Straßenverkehr
(Buslinien) wird der
Umfang des ÖV bestimmt.
Die Fahrgeldeinnahmen
stehen den jeweiligen
Verkehrsunternehmen
zu.Auf dem
straßengebundenen ÖV
werden ferner Mittel aus
dem
Gemeindeverkehrswegefinanzierungsgesetz
als
Investitionsförderung
gewährt. Eigenmittel der
Gebietskörperschaften
sowie
Ausgleichszahlungen für
Schülerbeförderung und
Schwerbehinderte
ergänzen die
Unterdeckung. Im
Eisenbahnverkehr decken
die Einnahmen aus dem
Fahrgelderlös ca. 1/3
der tatsächlichen
Aufwendungen des
Eisenbahnverkehrsunternehmens.
Der „Rest“ wird durch
Ausgleichszahlungen
durch den Besteller
gedeckt. In Bayern ist
der Besteller die
„Bayerische
Eisenbahngesellschaft“
(BEG), die im Auftrag
des Bayerischen
Staatsminsteriums für
Wirtschaft und Verkehr
den Schienenverkehr
durch
Verkehrsdienstverträge
mit den einzelnen EVU
bestellt. Entsprechend
dem EU-Recht werden
internationale
Ausschreibungen
vorgenommen, und der
Bieter mit dem besten
und auch finanziell
günstigsten Angebot
erhält den Zuschlag.
Kleinere
Verkehrsleistungen
(unter 300 000 km bzw. 1
Mio. Euro /Jahr z.B.)
können auch ohne
Ausschreibung vergeben
werden. Dies gilt auch
für
Inhouse-Geschäfte,was
die Weiterführung
kommunaler
Verkehrsbetriebe
sichert.Wegweisend für
die Inhalte der
Dienstleistungsverräge
ist neben der
EU-Verordnung 1191/69
vor allem das am
24.7.2003 ergangene
Urteil des Europäischen
Gerichtshofs
(Altmark-Urteil).
Umstritten ist die
Frage, ob
Ausgleichszahlungen für
Schüler-/
Behindertenverkehr
automatisch zur
Kategorie
„gemeinwirtschaftliche
Leistungen“ führen und
somit die damit
bedachten
Verkehrsleistungen
ausschreibungspflichtig
machen. Dieser
Problematik entzieht
sich Bayern dadurch,
dass es für den
Eisenbahnverkehr die
einzelnen EVU
verpflichtet, auf
Antragstellungen für
Zuschüsse für die
Schülerbeförderung bei
den Bezirksregierungen
zu verzichten. Dies
führt zudem zu einer
höheren Transparenz bei
der Finanzierung von
SPNV-Leistungen. Somit
besteht die „einfache“
Rechnung in Bayern
darin, dass die BEG die
Differenz zwischen den
bei den EVU entstehenden
Gesamtkosten der
Verkehrsleistungen und
den Fahrgelderlösen als
Bestellerentgelt
vergütet.
Schwierig wird es in der
bayerischen Praxis bei
Parallelverkehren Bahn /
Bus wegen der
unterschiedlichen
Zuständigkeit. Für die
Buskonzessionen sind die
Bezirksregierungen
zuständig (und viele
Busse fahren
eigenwirtschaftlich!),
für die Schiene ist es
zentral die BEG. Einem
eigenwirtschaftlich
handelnden Unternehmer
ist nur schwer eine
Konzession zu
versagen,während in
manchen Relationen wegen
der hohen
Infrastrukturkosten
(Trassen- und
Stationsgebühren, die
von jedem EVU an das EIU
für jede Fahrt zu zahlen
sind) die Schiene einen
systembedingten Nachteil
hat und zudem zusehen
muss, dass neue
Haltestellen bzw.
Streckenmodernisierungen
(Elektrifizierung z.B.)
vom Bund bzw. aus
anderen Fördertöpfen
errichtet werden, da die
Regionalisierungsmittel
der Länder allenfalls
für die
Bestellerentgelte
ausreichen, nicht aber
für
Infrastrukturverbesserungen.
Trotzdem hat im Bereich
SPNV das deutsche Modell
der Regionalisierung
viele Vorteile gebracht.
In Bayern wurde seitdem
keine Bahn mehr
stillgelegt und fast im
gesamten Land ein
Stundentakt eingeführt.
Im Vergleich zum
vorherigen Zustand
konnte die Zahl der
bestellen Kilometer um
Millionen gesteigert und
die Qualität des
Angebots (Fahrzeuge,
Serviceleistungen) auf
ein bisher nie gekanntes
Niveau gebracht werden.
Auch sind die Länder
flexibel. Niedersachsen
stellt z.B. sämtliche
SPNV-Fahrzeuge zur
Verfügung und vergibt
die Dienstleistungen an
den Anbieter mit den
besten Konzepten,
während einige Länder
die Bestellung der
Eisenbahndienstleistungen
durch Verbünde regeln.
Diese „Patchwork“-Situation
führte durch flexible,
regional abgestimmte
gute Angebote zu einer
enormen Steigerung der
Akzeptanz des ÖV und zu
einem erheblichen
Fahrgastzuwachs. Der
dadurch entstandene
Wettbewerb zwingt jedes
Unternehmen zu
kundenfreundlichen
Konzepten, was letztlich
dem Fahrgast zugute
kommt. Die
Ausschreibungspraxis ist
also nicht nur ein
arbeitnehmerfeindliches
Kostendämpfungsdiktat,
sondern ein Wegweiser
für die Zukunft.
Peter Vollmer
Wenige blicken durch,
alle stimmen zuverlässig
mit "ja"
| Die Finanzierung des
öffentlichen Verkehrs in
der Schweiz
|
Foto: CISALPINO
AG |
Der Schweizer
Öffentliche Verkehr
weist im internationalen
Vergleich rekordmäßig
hohe Angebote im
Regionalverkehr, sehr
hohe Angebote im
Fernverkehr und gute
Angebote im
Agglomerations- bzw.
städtischen Verkehr aus.
Es gibt kein
monokausales
Erklärungsmuster dafür,
dass vor allem die
Schweizer Bahnen die
Kahlschlagsphase der
siebziger bis neunziger
Jahre in Europa beinahe
unbeschadet überstanden
haben. Aber ein Grund
liegt auf der Hand: Die
Schweizer
ÖV-Finanzierung ist zwar
äußerst kompliziert,
aber auch
vergleichsweise
großzügig. 4,3
Milliarden Euro
öffentliche Gelder
flossen 2007 in den ÖV,
das entspricht knapp 49
% dessen, was Bahnen,
Bussen, Tram, Schiff und
teilweise Seilbahnen
insgesamt zur Verfügung
stand.
Agglomerationen:
Späte Einsicht des
Bundes
Wer in Lausanne in
einen Trolleybus
einsteigt, bezahlt wie
anderswo einen
Fahrpreis, der vom
Niveau her mit dem
deutschen oder dem
österreichischen zu
vergleichen ist. Stadt
und Kanton gleichen den
Fehlbetrag der
Gesamtkosten aus,
allerdings nicht wie bis
in die neunziger Jahre
als Defizitdeckung,
sondern als „Abgeltung“
für bestellte
Trolleybuskurse. Seit
2008 müssen Kommunen und
Kantone zumindest für
die Infrastruktur des
Agglomerationsverkehrs
die Kosten nicht mehr
alleine tragen.Werden
neue Fahrleitungen für
Trolleybusstrecken oder
Tramgeleise gezogen,
trägt der Bund dank
eines neuen Fonds für
die Agglomerationen im
Schnitt gegen 40 % bei –
innerhalb der nächsten
zwanzig Jahre für
Bahnen, Busse und Trams
in rund 30
Agglomerationen um die
drei Milliarden Euro.
Von den Dutzenden von
Gesuchen um Finanzierung
von Bahnen wurde die
Mehrzahl, von den
Gesuchen für Trams
wurden sehr viele und
von denen für
Businfrastrukturen (z.
B. separate Spuren) fast
alle bewilligt. Die
gleichzeitig
eingegangenen Gesuche
für neue Straßen fanden
zu zwei Dritteln keine
Gnade. Damit ist die
ÖV-Infrastrukturfinanzierung
für die Agglomerationen
(dort, wo auch in der
Schweiz der weitaus
größte Verkehrszuwachs
zu erwarten ist), für
zwei Jahrzehnte aus
sogenannten
Straßengeldern zwar noch
nicht gesichert, aber
ein wichtiger Anfang
dazu gemacht. Die Mittel
dieser neuen
Agglomerationsverkehrsfinanzierung
kommen übrigens
vollumfänglich aus der
sogenannten
Mineralölsteuerkasse.
Fernverkehr:
Schürfverbot in der
Goldgrube
Seit die Bahn Ende
2004 mit „Bahn 2000“ ihr
Angebot im zweistelligen
Bereich verbessert und
die Strecke Zürich-Bern
zur konkurrenzlosen
Schienen-Rennbahn
gemacht hat, herrscht
bei den
SBB-Finanzverantwortlichen
eitle Freude über die
Fernverkehrssparte. Beim
Modal-Split über die
wichtigsten
Stadt-Stadt-Verbindungen,
also auch zum Beispiel
Lausanne – Genf oder
Zürich – St. Gallen,
punktet die Bahn mit 70
bis 90 Prozent
Verkehrsanteil. Als die
SBB allerdings vor knapp
zwei Jahren die Preise
auf diesen Angeboten,
die beim Halbstundentakt
bereits aus allen Nähten
platzen, anheben
wollten, winkte der
Schweizer
Preisüberwacher ab. Der
Fernverkehr ist damit
auf seinen
Paradestrecken in der
paradoxen Situation,
dass er die hohe
Nachfrage nicht mit
entsprechend höheren
Preisen regulieren darf
– eine Art Schürfverbot
in der Goldgrube.
Dennoch ist der
Fernverkehr, wenn auch
ohne
Infrastrukturkosten,welche
fast vollständig der
Bund trägt,
kostendeckend. Er kann
sogar jährlich noch 80
bis 150 Millionen Euro
in den SBB-Konzern
einspeisen – was allein
schon deswegen notwendig
ist, da die SBB momentan
jährlich für 650
Millionen Euro neues
Rollmaterial anschaffen,
und das durchgehend über
die nächsten zwei
Dekaden.
Regionalverkehr:
verankert im Denken der
Schweiz
In den ländlichen,
und schon gar in den
alpinen Regionen oder
den einsamen Weiden des
Jura, lassen sich mit
Öffentlichem Verkehr
keine Gewinne einfahren.
Tatsächlich fahren in
den Appenzeller Hügeln,
den Bündner Bergtälern
oder den Waadtländer
Jurahöhen Bahnen mit
einem Kostendeckungsgrad
von nur rund 30 Prozent
oder gar tiefer. Und
manche Busangebote
kosten Kantone,
Gemeinden und Bund 80
Prozent und mehr an
Betriebskosten. Dennoch
macht eine qualitativ
gute Erschließung dieser
Regionen mit dem
Öffentlichen Verkehr
Sinn – sei es aus
regionalwirtschaftlichen
oder umweltpolitischen
Zielsetzungen, sei es
nicht zuletzt auch als
Beitrag zur Erfolgsstory
des schweizerischen ÖV,
das ganze Land
flächendeckend zu
erschließen, was sich
schlussendlich auch
wieder positiv auf die
Hauptverkehrsstrecken
auswirkt.
Die Schweizer
Landbewohner und die
Touristen müssen nicht
damit rechnen, dass
Sparfanatiker in den
Parlamenten dem
ländlichen ÖV den Hahn
zudrehen. Der ÖV hat
beim Bund und ebenso bei
den Kantonen eine gute
gesetzliche Grundlage,
welche sichert, dass die
Minimalgrßse einer
bewohnten Siedlung (100
Einwohner) auch ein
Minimum an
ÖV-Erschliessung hat.
Und wenn der ÖV stärker
nachgefragt wird, kommen
Bund und Kantone nicht
darum herum, abhängig
von der Nachfrage
entsprechend mehr zu
finanzieren. Dies kann
bedeuten, dass sehr
ländlich wirkende
Gemeinden im Kanton Bern
mit Schmalspurbahnen
einen Viertelstundentakt
anbieten können (in
Verdichtungszeiten sogar
ein Intervall von
siebeneinhalb Minuten!)
oder dass Bündner Täler,
die im Ausland als
attraktive
Ferienlandschaften
bekannt sind,
Postauto-Halbstundentakt
nach Chur anbieten. Die
Infrastrukturkosten vor
allem für die Bahnen,
teilen sich Bund und
Kantone, im reicheren
Zürich zuungusten des
Kantons, im ärmeren
Wallis zuungunsten des
Bundes.
Finanzielle
Absicherung der
Eisenbahngroßprojekte
Als die
Schweizerinnen und
Schweizer 1998 einer
Vorlage zustimmten,
welche für die
Bahnausbauten rund 20
Milliarden Euro vorsah,
war das womöglich das
größte je
direktdemokratisch
beschlossene
Investitionsprogramm.
Mit diesem Geld ist der
Lötschbergbasistunnel
(35 km) bereits
fertiggestellt, und mit
ihm wird so um 2018
herum auch der
Gotthard-Basistunnel,
der mit 56 km weltweit
längste Tunnel
überhaupt, dem Verkehr
übergeben. Momentan sind
in diesem großen Topf,
der als Fonds (sog.
FinöV-Fonds)
kurzfristigen
Spargelüsten entzogen
ist, noch etwa 3,6
Milliarden Euro übrig,um
weitere
Netzverbesserungen zu
finanzieren, zum
Beispiel die Beseitigung
von Kapazitätsengpässen
für den Güterverkehr.
Dass der Fonds aus der
leistungsabhängigen
Lastwagenabgabe (LSVA),
den Mineralölsteuern der
Autofahrer und mit einem
zweckgebundenen
Mehrwertsteuerpromille
finanziert wird, hat
mehrfache Bestätigungen
durch die Stimmbürger
gefunden. Momentan
diskutiert der Bund
darüber, ob das
Nachfolgeprogramm für
die 20 Milliarden Euro
bis etwa 2040 noch
einmal acht oder gar 14
Milliarden kosten darf.
Die Finanzierung für das
Projekt „Bahn 2030“
steht aber noch nicht
fest. Im Vordergrund
stehen aber zweifellos
wieder sogenannte
zweckgebundene Abgaben.
Um nochmals auf den
Trolleybuskunden aus
Lausanne zurück zu
kommen: Er stimmt zwar
alle paar Jahre über
irgendeine
ÖV-Finanzierung in der
Gemeinde, dem Kanton
oder beim Bund ab, fast
ausnahmslos zustimmend.
Aber die komplizierte
Finanzierung des
Gesamtsystems ist heute
für Laien so schwierig
zu durchschauen wie jene
der strukturierten
Geld-Produkte der
Investmentbanker – mit
dem Unterschied, dass
sich der Fahrgast auch
in den nächsten Jahren
durchaus darauf
verlassen kann, dass
dieses System
zuverlässig und mit noch
weiter steigendem
Angebot funktionieren
wird.
Karl Regner
Die Autofahrer melken
die Nation
Stadt und Land Salzburg
verschenken jährlich
Millionen Euro
Die versteckten
Subventionen an
Autofahrende machen im
Land Salzburg jährlich
zweistellige
Millionenbeträge aus.
Die zusätzlich zur
staatlichen
Pendlerförderung neu
eingeführte
Landesförderung für mit
dem Auto pendelnden, für
die heuer rund zwei
Millionen Euro
veranschlagt sind, ist
nur die „Spitze des
Eisbergs“. Aus
Wohnbaufördermitteln
wird jährlich mit rund
10 Millionen Euro der
Stellplatzbau (Garagen,
Zufahrten, Stellplätze)
subventioniert.
Öffentliche
Auto-Abstellplätze sind
oft gratis. Nur für
einen kleinen Teil der
öffentlichen Stellplätze
wird eine Parkgebühr
eingehoben. Diese ist
meist so billig, dass
sie die Kosten der
Öffentlichen Hand für
Errichtung,
Instandhaltung und
Verwaltung nicht deckt.
Das sieht man auch
daran, dass in
Salzburg-Stadt die
Marktpreise privater
Innenstadtstellplätze
doppelt so hoch sind wie
die Parkgebühren im
Straßenraum. Dadurch
entgehen Institutionen,
die im Eigentum oder
Einflussbereich der
Öffentlichen Hand sind
oder von ihr
subventioniert werden
(Gesundheitseinrichtungen,
Sportstätten, Bildungs-,
Kultur- und
Verwaltungseinrichtungen),
jährlich Millionen Euro
an Parkgebühren.
Bei Übersiedlung von
Einrichtungen aus der
Innenstadt hinaus werden
und wurden aus
öffentlichen Mitteln
Tiefgaragen oder
Parkplätze errichtet.
Diese sind meist
kostenlos, wodurch der
Autoverkehr massiv
angekurbelt wird. Dies
geschah bei der
Freisaal-Universität,
beim Finanzamt, bei der
Polizeidirektion, bei
der Salzburg-AG, bei der
Fachhochschule Urstein,
beim Stadion, bei der
Stadtbibliothek. Die
Politik hat außerhalb
der Innenstadt sich nur
dort, wo überwiegend
Auswärtige betroffen
sind, getraut,
(niedrige) Parkgebühren
einzuführen, so beim
Messezentrum, beim
Schloss Hellbrunn und in
der Alpensiedlung Süd.
Auch am Land wird viel
Geld fürs Gratisparken
ausgegeben. So hat die
Gemeinde Tamsweg ihre
Sparkasse verkauft und
mit dem Erlös eine
Garage gebaut, die nicht
einmal die
Betriebskosten deckt.
Damit sie halbwegs
ausgelastet wird, wird
sie zum Nulltarif
angeboten. Altenmarkt
bekam aus dem
Gemeindeausgleichsfonds
1,222 Mio. Euro für den
Bau des Seniorenheims,
851.000 Euro davon
wurden für eine
Tiefgarage ausgegeben.
Saalbach hat für den
Garagenbau seine
lukrativen
Bergbahn-Anteile an die
Reichsten im Ort
verkauft.
Wer ein Auto mit
Lungauer Kennzeichen
besitzt, erhält vom Land
die Tauernautobahn-Maut
geschenkt, was das Land
einige hunderttausend
Euro pro Jahr kostet.
Eine Folge: Viele
Lungauer und
Lungauerinnen nutzen die
Gratisfahrt zum
Einkaufen in Kärnten und
im Salzburger
Zentralraum, wodurch der
Lungauer Handel
geschädigt wird.
Die Preise für das
Anwohner-Parken sind in
Salzburg-Stadt besonders
niedrig im Vergleich zu
Wien,Wels oder
Innsbruck, wo sie das
Fünf- bis Achtfache
betragen.
Die derzeitige
Subventionierung des
Autoverkehrs kommt vor
allem der wohlhabenderen
Hälfte der Bevölkerung
zugute. Diese besitzt
bis zu 80 Prozent der
Autos und fährt damit
mehr. Die Wohlhabenderen,
die mehr Auto fahren,
profitieren davon, dass
Vignette,Versicherung,
Steuer und
Normverbrauchsabgabe
fahrleistungsunabhängig
anfallen. Menschen mit
höherem Einkommen
bekommen häufiger
Pendlerpauschale.
Die derzeitige
ungerechte und unsoziale
Subventionierung des
Autoverkehrs ist eine
massive
Einkommensverschiebung
von unten nach oben. Die
ärmere Bevölkerung
fährtweniger
Auto,bezahlt aber dafür
mit und leidet in
billigeren, lauten und
abgasbelasteten
Wohnungen am
überbordenden
subventionierten
Verkehr. Man soll
Sozial- und
Verkehrspolitik trennen,
sich an kostendeckende
Preise im motorisierten
Individualverkehr
annähern und Bedürftige
direkt unterstützen –
und nicht dann, wenn sie
mit dem Auto fahren oder
dieses parken.
Die Autoren |
Univ. Prof. Dr. tech. DI
Hermann KNOFLACHER
studierte Bauingenieurwesen, Mathematik und Geodäsie. Nach
der Leitung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit und eines
Ingenieurbüros wurde er Professor und Vorstand des Instituts
für Verkehrsplanung und Verkehrstechnik an der Technischen
UniversitätWien (1985-2007). Neben seinen Tätigkeiten bei
zahlreichen internationalen Organisationen veröffentlichte
er über 500 wissenschaftliche Publikationen und mehrere
Fachbücher. Mag.
Georg FUCHSHUBER
Geschäftsführer Verkehrsverbund Tirol GesmbH.
Michael BEHRINGER
Rechtsanwalt i.R.; Bund Naturschutz in Bayern
e.V.,Vorsitzender der Ortsgruppe Freilassing.
Dr. Peter VOLLMER
• Direktor:Verband Öffentlicher Verkehr, Seilbahnen Schweiz
• Nationalrat (1989-2007). Ehem. Präsident der Kommission
für Verkehr und Fernmeldefragen, Finanzkommission,
• Vorstand: Schweiz Tourismus, Vizepräsident (ST); Schweiz.
Tourismus-Verband (STV); Union International des Transports
Public (UITP); Schweiz. Verkehrswiss. Gesellschaft (SVWG).
• Beirat: Swissrail-Industry Association; Hochschule für
Wirtschaft Luzern; Forschungszentrum für Freizeit und
Fremdenverkehr der Universität Bern.
Mag. Karl REGNER
ist Verkehrsgeograph in Salzburg. Auf Seite 52 und 53 dieser
Nummer schreibt Karl Regner zum Thema „Tälerbus“.
|
|