Wer kümmert sich um Österreich?
Wer ist für die
überregionale
Erschließung Österreichs
zuständig, und wer
sichert diese auch in
Zukunft?
von Hans-Georg Frantz
Im Jahr 1991 führten die
Österreichischen
Bundesbahnen (ÖBB) den
Neuen Austro-Takt (NAT
91) ein. Mit diesem
Fahrplan sollte ganz
Österreich nach dem
bereits in der Schweiz
erfolgreichen
landesweiten Taktverkehr
erschlossen werden. Die
Initiative ging dafür
von den ÖBB selbst aus.
Der realisierte
Taktfahrplan fand jedoch
im Regionalverkehr –
speziell bei den Bussen
– keine Anschlüsse und
wurde im Laufe der Jahre
verändert und wesentlich
reduziert. Aus
kommerziellen Gründen
wurden die direkten
Verbindungen zwischen
Graz und Linz 2010
gänzlich eingestellt,
und zwischen Graz und
Salzburg werden direkte
Schnellzüge mit Dezember
2011 reduziert. Dieses
Angebot ist für Reisende
in der Region zwischen
Salzburg, Oberösterreich
und der Steiermark nicht
mehr interessant. Als
Alternative steht eine
vollständig ausgebaute
Autobahn-Infrastruktur
zur Verfügung, sogar mit
kürzerer Fahrzeit.
Dabei gilt es jetzt und
in der nahen Zukunft, in
die Bahn als Alternative
zu investieren. Die
Spritpreise haben sich
in den letzten 15 Jahren
verdreifacht, und durch
den weltweit steigenden
Bedarf ist mit einer
weiteren starken
Erhöhung zu rechnen. Der
steigende Preis basiert
auf dem weltweit
zunehmenden Bedarf,
welcher auch zum Problem
der langfristigen
Versorgung führt.
Erdölbasierte
Treibstoffe sind aber
auch für die
Klimaerwärmung
verantwortlich. Aus
diesen Überlegungen hat
die Europäische
Kommission ein
spezifisches Weißbuch
„Verkehr“
veröffentlicht. Diese
formulieren
Anforderungen auch an
die österreichische
Verkehrspolitik:
-
Das künftige
Wohlergehen unseres
Kontinents wird
davon abhängen, dass
alle seine Regionen
ihre umfassende und
wettbewerbsorientierte
Integration in die
Weltwirtschaft
aufrechterhalten
können [1]. Die
Schere zwischen
zentralen Regionen
und Randgebieten
wird sich weiter
öffnen,was die
Zugänglichkeit
angeht [2].
-
Bis 2050 muss der
Treibhausgas-Ausstoß
im Verkehrssektor um
mindestens 60 %
gegenüber 1990
gesenkt werden. Bis
2030 lautet das Ziel
für den Verkehr, die
Treibhausgas-Emissionen
um rund 20 % unter
den Stand von 2008
zu senken [3].
-
Qualität,
Zugänglichkeit und
Zuverlässigkeit von
Verkehrsdiensten
werden in den
kommenden Jahren
zunehmend wichtiger
werden, unter
anderem aufgrund der
Notwendigkeit, den
Öffentlichen Verkehr
zu fördern. Kurze
Fahrplantakte,
Bequemlichkeit,
leichter Zugang,
Zuverlässigkeit und
Verknüpfung der
Verkehrsträger sind
Hauptmerkmale der
Servicequalität [4].
 |
Neuer
Austro-Takt 1991
(NAT 91): 1991
österreichweit
eingeführt und
in den Jahren
darauf
schrittweise „weg“-optimiert.
Im
innerösterreichischen
Fernverkehr
wurden damals
folgende
Verbindungen im
Taktverkehr
eingeführt: IC
1: Wien – Linz –
Salzburg –
(Korridorstrecke
über Rosenheim)
– Innsbruck –
Bregenz IC 2:
Wien – Linz –
Salzburg –
Bischofshofen –
Schwarzach-St.Veit
– Innsbruck IC
3: Wien – Bruck
a. d. Mur – Graz
IC 4: Wien –
Bruck a.d. Mur –
Leoben –
Klagenfurt –
Villach –
Schwarzach-St.Veit
– Bischofshofen
– Salzburg IC 5:
Bruck a.d. Mur –
Leoben –
Klagenfurt –
Villach
(Ergänzungslinie)
IC 6: Graz –
Bruck a. d. Mur
– Leoben –
Selzthal – Linz
IC 7: Graz –
Bruck a. d. Mur
– Leoben –
Selzthal –
Bischofshofen –
Schwarzach-St.Veit
– Innsbruck Die
im
Zweistunden-Takt
verkehrenden
Linien
überlagerten
sich auf
gemeinsamen
Streckenabschnitten
zu einem
Stundentakt und
wurden durch
internationale
Züge noch weiter
ergänzt.
Quelle: ÖBB |
Die Einstellung von
Schnellzugverbindungen
zwischen Graz bzw. Linz
und Salzburg sowie den
dazwischen liegenden
Räumen macht es
unmöglich, die genannten
Ziele zu erreichen.
Dass es für den
Eisenbahnverkehr über
den Schoberpass einen
nicht so kleinen Bedarf
gibt, zeigen die Zahlen
der Verkehrsprognose
Österreich 2025+ des
BMVIT. Am Schoberpass
waren im Jahr 2005
werktags 21.000 Personen
mit dem Pkw und 3.000
mit dem Zug unterwegs,
im Jahr 2025 sollen dies
je nach Szenario 24.000
mit dem Pkw und 2.000
bis 2.500 Personen pro
Werktag mit dem Zug sein
[5]. Diese Zahlen
rechtfertigen einen
hochrangigen
Eisenbahnverkehr
zwischen Graz und
Salzburg bzw. Linz. Es
gibt gemäß der genannten
Studie genügend
Potenzial für diese
Verbindungen,
offensichtlich können
die ÖBB diese
Möglichkeiten nicht
ausschöpfen.
Auf Erdöl basierende
Treibstoffe werden in
wenigen Jahren sehr
teuer werden. Von der
Elektromobilität ist in
absehbarer Zeit aus
technischen und
finanziellen Gründen
kein Ersatz der auf
Verbrennungsmotoren
beruhenden
Antriebstechnik in
großem Umfang zu
erwarten. Dies gilt ins
besonders für die
Distanzen südlich und
nördlich des
Schoberpasses, welche
mit Elektroautos auch
zukünftig nicht gut
bedient werden können.
Bei Elektroautos wird
aufgrund der Batterien
auch ein höherer Preis
erwartet. Wenn nun das
Fahren teurer wird,
ergibt sich die Frage
nach Alternativen. Diese
Alternativen müssen
bereits jetzt zur
Verfügung stehen, damit
sie auch wahrgenommen
und ausgeübt werden.
Notwendig für die
internationale und
nationale Erreichung der
Steiermark sind
überregionale
Verbindungen. Es stellt
sich die Frage, wer für
diese Verbindungen
zuständig ist, diese
plant und finanzieren
soll.
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Graz und
Salzburg sollten
durch Direktzüge
im
Zweistunden-Takt
verbunden
bleiben.
Foto: Fahrgast
Steiermark |
Für das Grundangebot an
Eisenbahnverbindungen
ist gemäß ÖPNVR-G der
Bund zuständig, hier
liegt eigentlich auch
geographisch die
Verantwortung für
österreichweite
Verbindungen zwischen
Bundesländern.
Für
gemeinwirtschaftliche
Verkehrsleistungen
erhält die
ÖBB-Personenverkehrs-AG
aktuell 578 Millionen
Euro vom
Verkehrsministerium [6].
Diese Mittel wurden
jedoch ohne
(europaweite)
Ausschreibungen
vergeben. Wenn im Rahmen
einer Ausschreibung
diese Verbindungen
vertaktet verlangt
werden, werden diese
sicher auch angeboten
werden. Bei
Ausschreibungen in
Deutschland wurden
erhebliche Einsparungen
und Mehrleistungen der
Eisenbahnverkehrsunternehmen
zu denselben Kosten
erreicht.
Grundsätzlich stellt
sich die Frage, warum
der Bund mit den ÖBB
nicht regionale
Verbindungen vereinbart
und diese Mittel nicht
in die Zuständigkeiten
der Länder für den
zweckgebundenen Einsatz
übergeben werden. Diese
Mittel ergänzen die von
den Ländern eingesetzten
Mittel für den
Öffentlichen Verkehr für
eine gesamtheitliche
Planung aus einer Hand.
Die Kompetenz für die
Planungen ist in den
Ländern und
Verkehrsverbünden
vorhanden. Wenn die
Bundesländer jedoch auch
für die überregionale
Verbindung zuständig
sind, benötigen sie
hierfür durch eine
Regionalisierung die
entsprechenden Mittel.
Diese Regionalisierung
kann sinngemäß gleich
wie die Verländerung der
Bundesstraßen
stattfinden, wo der Bund
den Ländern
entsprechende Mittel zur
Verfügung stellt.
Wie der Artikel gezeigt
hat, besteht Bedarf an
überregionalen
Schnellzugverbindungen;
dieser Bedarf kann durch
die ÖBB wirtschaftlich
alleine nicht erfüllt
werden. Der Bedarf wird
nicht nur durch
entsprechende
Rahmenbedingungen der EU
definiert, sondern auch
durch Zahlen des BMVIT
belegt. Die
Ausschreibung der
Leistungen kann ebenso
wie die Verländerung der
Finanzmittel mit
sinnvollen Planungen
dazu beitragen, dass die
Leistungen finanziert
werden.
Mögen in Zukunft
weiterhin österreichweit
vertaktete
Zugverbindungen
zufriedene Fahrgäste
befördern – Bedarf und
Anbieter gibt es genug.
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[1] EU-Weißbuch Verkehr
2011; Abs. 2
[2] EU-Weißbuch Verkehr
2011; Abs. 13
[3] EU-Weißbuch Verkehr
2011; Abs. 6
[4] EU-Weißbuch Verkehr
2011; Abs. 41
[5] Verkehrsprognose
Österreich 2025+
[6] Verkehrsministerin
Bures unterzeichnet
neuen GWL-Vertrag mit
ÖBB – Leistung und
Qualität, Transparenz
und Wettbewerb im
Mittelpunkt;
Pressemeldung BMVIT
Wien, 4. Februar 2011;
http://www.bmvit.gv.at/presse/aktuell/nvm/2011/0204OTS0065.html
Literatur
VERKEHRSPROGNOSE
ÖSTERREICH 2025+ –
Endbericht
Personenverkehr
Ergebnisse BMVIT;Wien,
Juni 2009
WEISSBUCH Verkehr
Fahrplan zu einem
einheitlichen
europäischen
Verkehrsraum – Hin zu
einem
wettbewerbsorientierten
und ressourcenschonenden
Verkehrssystem
EU-Kommission, KOM
(2011) 144 endgültig,
Brüssel, den 28. März
2011
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