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														Abenteuer Bahnfahren 
														(Teil eins) 
														
														von Ludwig Laher
 
														
														Der Schriftsteller 
														Ludwig Laher, trotz 
														vieler negativer 
														Erfahrungen vom 
														Bahnfahren nicht 
														abzubringen, wird ab 
														jetzt in unregelmäßigen 
														Abständen über seine 
														Abenteuer mit den ÖBB 
														und anderen 
														Bahngesellschaften 
														berichten. 
														Nur vier Tage nach dem 
														Fahrplanwechsel im 
														Dezember war ich von 
														Wien aus per Bahn zu 
														meiner nächsten Lesung 
														in Graz unterwegs. Der 
														Railjet war anfangs mehr 
														als gut besetzt, vielen 
														Reisenden waren diese 
														für die Südbahn neuen 
														Garnituren noch ziemlich 
														fremd. Rund um mich 
														entspannen sich 
														Gespräche über die 
														Ausstattung, den Komfort 
														des Zuges im Verhältnis 
														zu den gewohnten 
														Eurofima-Wagen; viel 
														Positives war nicht zu 
														hören. Doch will ich 
														mich zu den unbequemen, 
														nicht verstellbaren 
														Sitzen in viel größerer 
														Stückzahl, also mit 
														reduziertem Platzangebot 
														für den einzelnen 
														Reisenden, zu den 
														fehlenden Abteilwagen, 
														den lächerlich kurzen 
														Garnituren und den 
														meisten anderen 
														Nachteilen dieses 
														eingebildeten 
														Premium-Produktes hier 
														nicht weiter verbreiten 
														– über einen in meinen 
														Augen nur scheinbar 
														nebensächlichen Aspekt 
														aber schon. 
														Ich hatte mich aus 
														Gewohnheit in den 
														Ruhewagen gesetzt, 
														obwohl mich der schon 
														auf der Westbahn, die 
														ich wesentlich häufiger 
														frequentiere, jede Menge 
														Nerven kostet. Einfach 
														hinzunehmen, dass es 
														sich dabei um eine 
														weitere Konkretisierung 
														des typisch 
														Österreichischen 
														handelt, fällt mir nun 
														einmal, ich gebe es zu, 
														ausgesprochen schwer. 
														Was ich damit meine? 
														Nun, es gibt 
														mittlerweile Studien 
														dazu, dass in diesem 
														Land das Wort 
														„eigentlich“ um ein 
														Vielfaches häufiger 
														verwendet wird als in 
														Deutschland – und zwar, 
														weil die typisch 
														österreichische 
														Wurstigkeit, 
														Halbherzigkeit, 
														Inkonsequenz es nötig 
														macht: Eigentlich, aber 
														nur eigentlich, gibt es 
														also einen Ruheraum im 
														Railjet, ein Angebot an 
														jene Vielfahrer wie 
														mich, die nicht dauernd 
														am Musikgeschmack junger 
														Mitreisender 
														partizipieren wollen, 
														die an der Expositur 
														diverser Bürobetriebe 
														auf dem Platz gegenüber 
														samt den offenbar 
														unumgänglichen 
														engagierten 
														Kundengesprächen leiden, 
														die es sich gern 
														ersparen würden, mit 
														sämtlichen Klingeltönen 
														Mitteleuropas und 
														Umgebung samt den öden 
														Privatdialogen im 
														Schlepptau verwöhnt zu 
														werden, wenn einem nach 
														Seele-baumeln-Lassen 
														oder Lesen, stiller 
														Kreativarbeit oder 
														Schlafen zumute ist.
 
															
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																Auf den Punkt gebracht durch den bekannten SN-Karikaturisten Thomas Wizany. 
																
																Karikatur: 
																Thomas Wizany |  
														
														Wäre es den Bundesbahnen 
														ernst mit diesem 
														segensreichen Angebot, 
														würde das außen auf den 
														entsprechenden Wagen 
														groß beworben werden, 
														desgleichen auf den 
														automatischen Türen zum 
														Großraumabteil im 
														Inneren, auf den Foldern 
														(genannt Zugbegleiter), 
														mit dem Fahrplan des 
														gewählten Zuges usw. 
														Stattdessen gibt es 
														hauptsächlich verschämte 
														kleine Piktogramme neben 
														den Fenstern, die von 
														den meisten übersehen 
														werden, von nicht 
														wenigen natürlich 
														absichtlich.Wende ich 
														mich dann höflich an 
														meine Mitreisenden, 
														lautes Sprechen, 
														Telefonieren und 
														Musikhören doch bitte zu 
														unterlassen, werde ich 
														oft entgeistert 
														angestarrt und muss mir 
														so allerhand sagen 
														lassen: Sie hätten in 
														dem kurzen Zug keinen 
														anderen Platz gefunden 
														und müssten unbedingt 
														jederzeit erreichbar 
														sein; was ich für einen 
														Begriff von laut hätte; 
														sie würden eh ganz 
														normal telefonieren; ich 
														solle doch gefälligst 
														mit dem Auto fahren, 
														wenn mich das stört; 
														regen S’ Ihna net auf, 
														des is net g’sund, 
														glaub’n S’ ma des. 
														
														Im Dezemberzug nach Graz 
														war es besonders 
														schlimm. Tatsächlich war 
														den meisten 
														Reisegenossen beiderlei 
														Geschlechts nicht 
														bewusst, wo sie saßen. 
														Eine nette Studentin 
														neben mir meinte 
														treuherzig, sie habe mit 
														einer Freundin 
														vereinbart, während der 
														Fahrt nach Kapfenberg 
														ihre gemeinsame 
														Seminararbeit 
														telefonisch durchzugehen 
														und die Korrekturen 
														gleich per Laptop 
														einzuarbeiten, das müsse 
														ich verstehen. Ein 
														Sitzplatz woanders sei 
														Illusion, aber das 
														nächste Mal wolle sie, 
														wenn es ihr gelinge, 
														rechtzeitig nach 
														Meidling zu kommen, 
														darauf achten, den 
														Ruhewagen zu meiden. Und 
														schon ging es los. 
														
														Ich habe in der Sache 
														gelegentlich mit 
														Zugbegleitern geredet, 
														die meist sofort 
														abwinkten, weil sie 
														ohnehin dauernd den 
														Prellbock zwischen dem (Miss-)Management 
														der ÖBB und den 
														Reisenden zu spielen 
														hätten: „Kommen Sie mir 
														bitte nicht damit! Ich 
														versteh’ Sie ja, aber da 
														stehen wir auf 
														verlorenem Posten, wir 
														haben ja keine wirkliche 
														Handhabe.“ 
														
														Eigentlich gibt es also 
														Ruhewagen. Sie im Sinn 
														des Erfinders zu nutzen, 
														ist freilich ein Ding 
														der Unmöglichkeit. 
														Österreich bleibt eben 
														Österreich, nicht nur 
														eigentlich. 
														
														Tags darauf, an einem 
														Freitag, hieß mein 
														Reiseziel 
														Salzburg.Wollte ich von 
														Graz nicht erst nach 
														halb zwölf abfahren, 
														musste ich leider aufs 
														ab sieben Uhr verfügbare 
														Frühstück im Hotel 
														verzichten, denn wegen 
														des ausgedünnten 
														Fahrplans macht sich der 
														Morgen-D-Zug schon kurz 
														nach halb acht auf den 
														Weg. Nein, ich habe mich 
														nicht verschrieben, ich 
														bestieg keinen IC, 
														keinen EC, einen Railjet 
														schon gar nicht, sondern 
														einen guten alten D-Zug. 
														Im wahrsten Sinne des 
														Wortes übrigens, denn 
														dahinter verbarg sich 
														eine alte 
														City-Shuttle-Garnitur 
														für den Nahverkehr, in 
														der man zwar nicht so 
														eng sitzt wie im Railjet, 
														aber genauso unbequem. 
														Speisewagen für über 
														vier Stunden Fahrt? Kein 
														Gedanke. Mobiles 
														Bordservice? Nur sehr 
														eingeschränkt, weil das 
														Wagerl nicht durchkommt. 
														Erste Klasse? Wo denke 
														ich hin. Steckdosen für 
														den Laptop? Leider nein. 
														
														Ich weiß, ich kann ja 
														mit dem Auto fahren, 
														wenn mich das stört. 
														Viele tun das auch 
														längst. Aber ist dies 
														wirklich das 
														ÖBB-Unternehmensziel? An 
														die tschechische Bahn 
														hat man kürzlich eine 
														ganze Reihe wunderbarer 
														Schnellzugwagen 
														verschleudert, weil sie 
														(noch) nicht 
														drucktauglich umgebaut 
														waren und deshalb für 
														Tempo 200 in den Tunnels 
														der Westbahn nicht zu 
														verwenden. Für die 
														schlecht ausgebaute 
														Strecke zwischen Graz 
														und Salzburg wären sie 
														aber allemal geeignet 
														und wesentlich 
														komfortabler als das 
														alte 
														Nahverkehrswagenmaterial. 
														Nur, die „Gottsoberen“ 
														der 
														ÖBB-Entscheidungsebene 
														fahren ja nicht mit der 
														Bahn, jedenfalls nicht 
														freiwillig und auf 
														ungeliebten Strecken. 
														Dafür erzählen sie einem 
														Märchen über Engpässe 
														beim Wagenpark, für die 
														sie nichts könnten, weil 
														frühere Generationen von 
														Managern die Weichen 
														falsch gestellt hätten. 
														
														Ach ja, der Zugbegleiter 
														hat an die zehn 
														Beschwerdeformulare 
														ausgeteilt an diesem 
														Tag, sagte er mir. Das 
														Salzamt wird wieder 
														einmal Hochbetrieb 
														gehabt haben nach dem 
														Fahrplanwechsel. (Für 
														unsere ausländischen 
														Leser: „Sich beim 
														Salzamt beschweren“ ist 
														eine österreichische 
														Redewendung für eine 
														aussichtslose 
														Beschwerde.) 
														  
															
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																Zum Autor: 
																Ludwig Laher |  
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														  | Ludwig Laher, 
														geb. in Linz, studierte 
														Germanistik, Anglistik 
														und Klassische 
														Philologie in Salzburg. 
														Dr.phil. Gymnasiallehrer 
														und Schriftsteller in 
														Salzburg. 1993 
														Übersiedlung nach St. 
														Pantaleon (OÖ), seit 
														1998 hauptberuflich 
														freier Autor. Daneben 
														immer wieder 
														Universitätslektor in 
														Salzburg, Klagenfurt, 
														Innsbruck und Wien. 
														Zuletzt erschienen u.a.: 
														Herzfleischentartung 
														(Roman, 2001, tb 2005), 
														Aufgeklappt (Roman, 
														2003), Folgen (Roman, 
														2005), Und nehmen was 
														kommt (Roman, 2007, tb 
														2011), Einleben (Roman, 
														2009),Verfahren (Roman, 
														2011) |  |  |  
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