Jugendmobilität führt
zu neuer Verkehrskultur
Der Öffentliche Nahverkehr hat erheblichen Nachbesserungsbedarf
von
Albert Waldhör
Albert Waldhör,
Geschäftsführer LINZ
LINIEN GmbH, hat bei den
Salzburger Verkehrstagen
2012 im Vortrag
„Jugendmobilität führt
zu neuer Verkehrskultur“
interessante Analysen
präsentiert. Er erklärt
in seinem Bericht, wie
sich die Mobilität
junger Menschen ändert,
und beschreibt die
daraus entstehenden
Herausforderungen für
den Öffentlichen
Personennahverkehr
(ÖPNV).
Die Gesellschaft verändert sich
Die Gesellschaft
verändert sich
permanent. Werte,
Vorstellungen,
Verhaltensweisen und
Technologien unterliegen
einem ständigen Wandel.
Für die Jugend gilt:
„Keine Pause. Stillstand
verboten.“ Daher
unterliegt die
Jugendmobilität
ruhelosen Zeiten.
Unterschiedliche
Bedürfnisse vereinen
Wir haben es mit einer
Vielzahl
unterschiedlichster
Gruppen, Interessen,
Wünsche und Werte zu
tun. Das führt auch im
ÖPNV zu erheblichen
Herausforderungen im
Jetzt und in der
Zukunft.
Unterschiede zwischen
Land- und
Stadtbevölkerung
In urbanen Gebieten
verliert das Auto an
Status. Ländliche
Gebiete bevorzugen
traditionelle
Mobilitätsformen wie
Auto und Moped. Der
Führerschein-Erwerb als
Initiationsritual für
die Aufnahme in die
Gesellschaft ist nach
wie vor prägend für die
weitere Mobilität.
Umfragen zufolge scheint
der Trend zum Auto
ungebrochen anzuhalten.
Unterschiede zur
Schweiz
Unterschiedliche
Ergebnisse sind im
Vergleich mit der
Schweiz festzustellen.
Die
Führerschein-Erwerbsquote
ist in der Schweiz in
den letzten zehn Jahren
von 70 auf 60 %
gesunken. Dies lässt den
Schluss zu: Ein gut
ausgebautes ÖPNV-Netz
führt dazu, dass immer
mehr junge Menschen
keinen Führerschein
erwerben (müssen). In
Österreich liegt sie
immer noch bei 90 %.
Hohe Anforderungen an
den ÖV
Bei Umfragen nach den
Anforderungen an
öffentliche
Verkehrsmittel ist den
Jugendlichen fast alles
wichtig! Dabei
unterscheiden sie sich
nicht sehr von den
Ansprüchen der
Erwachsenen. Die
Ergebnisse zeigen, dass
die ÖPNV-Unternehmen
einige der Erwartungen
nur sehr schlecht
erfüllen.
Auch junge Kunden
sind „Könige“
Die Brüche in den
Lebensphasen (Eintritt
in die Schule, Eintritt
in den Lehrberuf,
Schulortwechsel,
Austritt aus der Schule,
Arbeitsantritt,
Bundesheer oder
Zivildienst, Beginn und
Ende des Studiums usw.)
sind entscheidend für
die Hin- oder Abwendung
zum bzw. vom ÖPNV. Die
gemachten Erfahrungen
sind mitentscheidend für
die Verkehrsmittelwahl.
Die Frage ist: „Leisten
wir einen aktiven
Beitrag, die Kunden von
morgen auch als solche
zu sehen und zu
behandeln?“
Jugendmobilität braucht
eine neue
Verkehrskultur. Und
diese bedingt eine neue
Denkkultur, die nur mit
einer Veränderung in den
Köpfen machbar ist.
Vom Verkehrsanbieter
zum
Mobilitätsdienstleister
Es liegt in der
Verantwortung der
Verkehrsunternehmen und
Verkehrsverbünde, auf
Kunden – besonders auf
Jugendliche – zuzugehen
und Verbesserungen
vorzunehmen. Als
Kernaufgabe scheint die
Befassung mit folgenden
Themen besonders
wichtig: Angebot,
Vertrieb, Tarif,
Kunden-Kontaktpunkte,
neue Medien und
multimodale Angebote
unterschiedlichster
Verkehrsformen rund um
die Uhr.
Die Jugend zeigt uns,
wohin Politik,
Verkehrsverbünde und
Verkehrsunternehmen ihre
Schwerpunkte in Zukunft
zu legen haben.
Multimodale Mobilität
anbieten
Für Wege von A nach B
gibt es heute schon
multimodale Lösungen,
die sehr stark von den
Automobilherstellern
forciert sind. Daher
müssen die
Verkehrsanbieter für
alle Verkehrsformen
(ÖPNV, Fuß, Rad,
Car-sharing, Sammeltaxi
usw.) entlang der
Reisekette und eines
Reisebedürfnisses jedem
Kunden jederzeit das
passende Angebot zur
Verfügung stellen.
Unsere Jugend: Opfer
einer
Lifestyle-Mobilität?
Zusammenfassend lässt
sich sagen:
-
DEN typischen
Jugendlichen gibt es
nicht.
-
Die Jugend hat eine
Vielfalt an Werten,
Einstellungen,
Bedürfnissen und
Interessen.
-
Ökologische und
ökonomische
Anforderungen sowie die
Sozialisierung
beeinflussen die
Mobilitätswahl
erheblich.
-
Die Nutzung des ÖPNV
hängt sehr stark vom
Alter, der Region und
dem Angebot ab.
-
Die ÖPNV-Nutzung in
Stadt und Land ist
extrem unterschiedlich.
-
Der Erwerb des
Führerscheins dominiert
als Initiationsritual in
der Gesellschaft noch
immer, da damit den
Jugendlichen erstmalig
wirkliche Verantwortung
übertragen wird.
-
Erfahrungen in den
Lebensbrüchen stellen
eine einschneidende
Wegweisung für das
Mobilitätsverhalten dar.
-
Der ÖPNV hat aus Sicht
der Jugendlichen im
Kernangebot erheblichen
Nachbesserungsbedarf.
-
Dort, wo das
ÖPNV-Angebot sehr gut
und der Modal Split hoch
ist, geht der
Führerscheinerwerb
drastisch zurück.
Die heutigen Jungen
sind die
Entscheidungsträger von
morgen
Vergessen wir nicht,
dass die heutigen Jungen
in 10, 20, 30 Jahren die
Entscheidungsträger
sind. Ihre Werte, Normen
und Verhaltensweisen
werden das Geschehen im
Verkehrsmarkt der
Zukunft bestimmen.
Das Resümee
Den Jugendlichen sind
fast alle Aspekte des
ÖPNV wichtig. Angebot,
Vertrieb, Tarife und
Kunden-Kontaktpunkte
sind Handlungsfelder,
denen sich die
Verkehrsverantwortlichen
zuwenden sollten. Die
Verkehrsanbieter müssen
sich überlegen, ob sie
als multimodale
Betreiber auftreten
wollen oder dieses Feld
anderen überlassen. Die
Jungen wünschen sich
maximale Mobilität, auch
ohne eigenes Auto.
Mobility on demand ist
als Lifestyle von morgen
heute schon gefordert.
Usability – die Vielfalt
des Angebotes mit
einfacher Nutzung als
Maxime – ist mehr als
nur eine neue Floskel
für Modernität.
Multimodale Services
sind erforderlich auf
dem Weg in die Zukunft
des Web 3.0. Soziale
Netzwerke als Instrument
der
Bürger-Selbstverwaltung,
wie z. B. die
Schwarzfahrer-App für
österreichische Städte
und Berlin (Schwarzkappler),
sind nicht mehr Zukunft,
sondern Realität.
Letztlich werden
zukunftsorientierte
Mobilitätsformen und
Produkte nachgefragt
werden wie i-Mobility,
e-Mobility und Apps mit
jedem nur denkbaren
Nutzen.
Mobilität junger
Menschen führt zu Wandel
Das Befassen mit dem
Thema „Jugendmobilität“
führt zu einer neuen
Verkehrskultur. Der
Kunde wird als solcher
erkannt, auf seine
Bedürfnisse wird
eingegangen.
Eine große
Herausforderung für
Politik und
Verkehrsverantwortliche:
Sie müssen die
Veränderungen
unterstützen, einleiten
und auch finanzieren.
Für alle
Verantwortlichen und
Mitarbeiter bedeutet das
ein neues Denken. Denn
ohne Änderung der
Sichtweisen für die
Notwendigkeiten der
Bevölkerung und
Erfordernisse der
Zukunft und ohne eine
Fokussierung auf die
Bedürfnisse der Kunden
und der Umwelt wird es
nicht möglich sein, die
Zielsetzungen der
CO2-Einsparungen zu
erreichen. Ansonsten
wird es keinen
ökologisch und
ökonomisch sinnvollen
Verkehr geben.
Eines ist sicher, und
das gilt ganz besonders
für das Thema
„Jugendmobilität“: „Die
heutige Jugend ist die
Zukunft der Mobilität.
Und die Zukunft wird so,
wie wir sie gestalten!“
Zum Autor: Albert Waldhör |
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Ing. Mag. Albert Waldhör (55)
ist seit 2010
Geschäftsführer der Linz
Linien GmbH,
gewerberechtlicher
Geschäftsführer und
Betriebsleiter des
Kraftfahrlinienverkehrs
sowie kaufmännischer
Leiter des
Mietwagen-Gewerbes.
Waldhör hat die Höhere
Technische
Bundeslehranstalt für
Maschinenbau in Linz
abgeschlossen und
Betriebswirtschaft an
der Johannes-
Kepler-Universität Linz
studiert sowie
Betriebswirtschaft und
ein
Post-Graduate-Studium an
der Linzer Management
Akademie und an der
Emory Business School
Atlanta (USA)
abgeschlossen. Seit 2004
ist der Autor Obmann der
Berufsgruppe der
innerstädtischen
Verkehrsunternehmen in
der Wirtschaftskammer
Österreich. |
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