Vandalismus im Öffentlichen Verkehr
Eine Herausforderung für
Verkehrsunternehmen und
Fahrgäste
koordiniert
von
Christa Schlager
Das RS-Thema mit Beiträgen von
- Alexander Keul
-
Peter Haibach
im Gespräch mit
Wolfgang Worliczek
-
Karl Schambureck
-
Michael Behringer
- Jörgen Boße
-
Thomas Berger
- Ray King
Fürchtet Euch vor den „Normalen“
Eine harte Nuss für Interventionen
von
Alexander G. Keul
Für manche
Leserbriefschreiber ist
klar: Mehr Kontrolle,
Video, härtere Strafen,
dann hören die schon
wieder auf. Gemeint sind
jene, deren
Zerstörungsdrang Bischof
Henri Grégoire von Blois
1794 pauschal mit dem
germanischen Stamm der
Vandalen gleichgesetzt
hatte (was historisch
sehr zweifelhaft war).
Auch wenn ihr Etikett
schief klebt – jene, die
im Februar 2009 auf
Salzburgs Hauptbahnhof
einen sechsstelligen
Schaden an Talent-
Garnituren hervorriefen,
indem sie 50 Fenster
zertrümmerten, oder
jene, die Ende Dezember
2009 auf dem
Süd-Bahnhofsgelände in
Wien 300.000 Euro
Schaden an 19
ÖBB-Waggons und
Dieseltriebwagen
verursachten, rufen in
Erinnerung, dass „die
bewusste, illegale oder
normenverletzende
Beschädigung oder
Zerstörung fremden
Eigentums“ ein ernstes
Problem für den
Schienenverkehr
darstellt.
Fensterzerkratzen,
Polsterschlitzen oder
Verunreinigungen
verleiden auch
ÖV-Begeisterten den
Aufenthalt im Zug. Im
Affekt wünscht sich
dabei manch Betroffener
nach Singapur, wo
Vandalismus mit
Stockhieben und
jahrelanger Haft
bestraft wird.
Die Bewertung
vandalistischer
Handlungen reicht von
Toleranz gegenüber
subkultureller
Kreativität bis zur
völligen Ausgrenzung von
Cliquen, die sich mit
der gesellschaftlichen
Ordnung anlegen.
Naturschützer und
Nachhaltigkeitsinteressierte
betrübt der Verlust des
subjektiven
Sicherheitsgefühls bei
den Fahrgästen und die
Beschädigung
umweltfreundlicher
Transportmittel, die so
unattraktiver werden.
Was in Österreichs
Medien auffällt, ist
eine relativ hilflose
Aufwärtsspirale aus
Entrüstung und Ruf nach
Konsequenzen im
Vergleich zu
Deutschland, wo die DB
offensiv seit November
2009 einen eigenen
„Präventionszug“ auf
Tour und Mitarbeiter in
Schulen schicken. Über
die Hotline-Nummer 0180
5 234566 können Zeugen
von Zerstörungen die
Exekutive verständigen.
Randständig blieb
freilich die Forderung
des saarländischen
Wirtschaftsministeriums
nach
„Bahnhofs-Patenschaften“
(vulgo Bürgerwehr-
Patrouillen). Während
die DB 2009 50 Millionen
Euro Schaden beklagte,
fielen Ende der
1990-er-Jahre jährlich
60 bis 70 Millionen
Dollar allein durch
zerstörte Busund
Bahnfenster in New York
City an. Alles ist
relativ. Christopher
Jenks, der
Verantwortliche des
dortigen Transit
Cooperative Research
Program, registriert
eine Verdoppelung der
Schäden etwa alle sechs
Jahre, setzt auf
widerstandsfähigeres
Material und auf
Prävention durch
Personal und Polizei. „Scratching“,
dem Fensterzerkratzen
per Glasschneider, kann
mittels Folienüberzug
begegnet werden; „Etching“,
eine Art Graffiti via
Faserschreiber mit
Flusssäure-Füllung,
führt bei Berührung zu
akuten Verletzungen und
Vergiftungen. Anders als
die Sachbeschädigung
Scratching wird Etching
in Deutschland als
Verbrechen verfolgt.
|
Wer steigt schon gerne in einen solchen Zug ein? Der Vandalismus ist ein internationales
Phänomen: Regionalzug in Poppi (Toskana), Mai 2009.
Foto: Karl Schambureck |
Dem
Sozialwissenschaftler
fällt weiters auf:
Österreichs Täter werden
zwar nicht wie 1794 als
böse Germanen, aber doch
relativ rasch als
Jugendliche und/oder
Kriminelle bezeichnet.
Deutschland kennt auch
den Gelegenheitstäter,
der seinen Alltagsfrust
ausläßt, oder
ungeschickte
Beschädiger(innen?). Im
angelsächsischen Raum
ist das „broken-
window-phenomenon“
bekannt: Geht einmal
etwas kaputt, greifen
Folgeschäden rasch um
sich. Rinnt das Zugs-WC,
dann passt eine
zerschlagene Klobrille
doch „ganz gut dazu“.
Taylor nannte es „incivilities“
– Unrat und
Beschädigungen ziehen
Kriminalität an,weil
sich offenbar niemand
für diesen Platz
verantwortlich fühlt.
Das Gegenteil davon
bezeichnete Newman mit „defensible
space“-Orte, um die sich
sichtlich jemand kümmert
und die einsehbar sind,
laden weniger zum
Normbruch ein.
Für das neue Jahrzehnt
wünsche ich dem
Öffentlichen
Schienenverkehr in
Österreich nicht nur
„gute Nerven“, sondern
auch den Grips, ins
Internet zu schauen, was
in den USA „transit
crime“ heißt und welche
Geografie („crime routes“)
welche Delikte anzieht.
Die Amerikaner setzen
für ihre Untersuchungen
auch Geografische
Informationssysteme
(GIS) ein. Bei
Publikumsbefragungen
einmal nicht nur
„Zufriedenheit als
Schulnote 1 bis 5“
abhaken, sondern gezielt
Verkehrsmittelwahl in
Abhängigkeit vom
persönlichen
Sicherheitsgefühl
thematisieren. Gerade
Öffentlicher Verkehr
produziert bei
Ängstlichen
Eingeschlossenheitsgefühle,
obwohl Delikte
statistisch auf dem
Bahnhof weit häufiger
sind als im
Eisenbahnwaggon. Eine
gerade fertige
Salzburger Diplomarbeit
von Michael Mair über
Angsträume auf
ÖBB-Bahnhöfen am
Beispiel
Attnang-Puchheim (alt)
und Vöcklabruck (neu)
sollte nicht allein auf
weiter Flur bleiben.
„Die Vandalen“ waren 455
bei ihrer Eroberung Roms
nach zeitgenössischen
Berichten keine
zerstörerische Horde.
Mehr fürchten sollten
wir uns daher vielleicht
vor den „Normalen“, die
sich hinterher an nichts
mehr erinnern können.
Rache der vergessenen Jugend
RS-Obmann und Herausgeber
Peter Haibach im Gespräch mit dem
Gesundheitspsychologen Wolfgang Worliczek
RS:
Herr Worliczek, worin
sehen Sie die Ursachen,
dass vor allem junge
Menschen sich ihre
Aggressionen nicht nur
an Sachen, sondern auch
an Personen ausleben?
Der Vorfall in der
Münchner S-Bahn, wo zwei
Jugendliche einen Mann
totprügelten, weil er
sich einmischte, als
diese Kindern ihr
Taschengeld rauben
wollte, machte
betroffen.
Worliczek:
Für das Verhalten gibt
es mehrere Ursachen. Zum
einen gibt es viele
Jugendliche, die ohne
Normen aufwachsen, keine
Wertvorstellungen mehr
haben, was gut und böse
ist. Ein anderer Teil
ist gewöhnt, immer aus
dem vollen Kühlschrank
zu leben und sich um
nichts kümmern zu
müssen. Da schlägt
Langeweile durch, aber
auch die Suche nach
Protestformen, um auf
sich aufmerksam zu
machen.
|
RS:
Welchen Anteil
messen Sie da
Gewalt-Videos
bei?
Worliczek:
Gewaltszenen in
Filmen sollten
nicht
unterschätzt
werden. Sie
stellen in einem
gewissen Ausmaß
eine
Verhaltensanleitung
dar. Dies lässt
sich auch
wissenschaftlich
nachweisen. So
z.B. beschreibt
der Freiburger
Mediziner
Joachim Bauer
Forschungsergebnisse,
die belegen,
dass sogenannte
Spiegelneuronen
unser Verhalten
maßgeblich
beeinflussen,
sowohl positiv
als auch
negativ. Gewalt
in Filmen oder
Fernsehen
stimuliert
Menschen, in
ähnlichen
Situationen mit
einer ähnlichen
Gewaltbereitschaft
zu reagieren.
RS:
Warum trifft das
gerade bei
jungen Menschen
vermehrt zu?
Worliczek:
Hier dürfte zum
Tragen kommen,
dass vielen
jungen Menschen
keine klaren
Grenzen gesetzt
werden. Es fehlt
das glaubwürdige
Nein zur |
rechten Zeit, das hilft,
sich mit einer gewissen
Basis-Software, hier
volkstümlich „der gute
Ton“, selbstsicher
durchs Leben
zu bewegen.
RS:
Was machen da die Eltern
falsch?
Worliczek:
Die vielfältig
berufstätigen Eltern
haben oft nicht mehr die
Kraft, den Kindern
Grenzen zu setzen, sie
bieten keine brauchbaren
Modelle. Der häufig
gehörte Satz von Eltern
„Bevor, ich es x-mal
sagen muss, mache ich es
selber“ führt bei
Kindern zur
Desorientierung und zum
Opponieren.
RS:
Was nützt es in der
konkreten Situation, die
Ursachen für
Aggressionen gegen
Sachen und Personen zu
kennen, wenn man selbst
in eine solche Situation
kommt?
Worliczek:
Da gibt es kein
Patentrezept, außer als
Grundregel zu beachten,
dass das eigene
Verhalten bestimmt, aber
möglichst
aggressionsfrei und von
innerer Sicherheit
geprägt sein sollte. Das
verständliche Zeigen der
eigenen Verärgerung
scheint das
gewaltbereite Verhalten
noch aufzuschaukeln.
RS:
Aus Untersuchungen weiß
man, dass Frauen da die
besseren Diplomatinnen
zu sein scheinen und
Konflikte eher
entschärfen können.
Worliczek: Das ließe
sich daraus erklären,
dass Frauen
verbindlicher auftreten
und gewisse
Mütterinstinkte geweckt
werden. Männer werden
eher als Konkurrenten
und Gegner gesehen.
RS:
Wie gehen die
Verkehrsunternehmen mit
dem Phänomen um?
Vandalenakte an
Bahnhöfen und Zügen wie
am Wiener Südbahnhof, wo
nächtens eine größere
Anzahl von Fahrzeugen
demoliert wurden, kosten
die Verkehrsunternehmen
viel Geld.Was schlagen
Sie den
Verkehrsbetrieben vor?
Worliczek: Ich denke
doch, dass der
Personalabbau bei den
Eisenbahnen diese
Vandalenakte begünstigt.
Menschenleere Bahnhöfe,
Nahverkehrszüge ohne
Zugbegleiter laden
geradezu ein, sich
problemlos
abzureagieren.
RS:
Was halten Sie von dem
Vorschlag, in
Nahverkehrszügen ein
Alkoholverbot zu
verhängen, wie es die
ÖBB in Vorarlberg und
Tirol planen?
Worliczek: Ich stelle
mir die Durchsetzung des
Alkoholverbots schwierig
vor. Wer soll das
kontrollieren, wenn es
in vielen Zügen keine
Zugbegleiter mehr gibt?
Ein Verbot ohne Sanktion
ist wirkungslos!
RS:
Ist die Videoüberwachung
der richtige Weg?
Worliczek: Ich zweifle
daran. Alles zu
dokumentieren, setzt
keinen Lernprozess in
Gang. Der beste, Weg
Grenzen zu setzen, sind
Bahnbedienstete, seien
es Schaffner oder
Bahnpolizei.
RS:
Andererseits klagen die
ÖBB in Salzburg, dass
die neuen
S-Bahn-Stationen in der
Stadt mit Graffiti
verunziert wurden, teils
auch Glasteile der
Stationen zertrümmert
wurden.
Worliczek: Natürlich
gibt es auch den
gegenteiligen Effekt,
dass manche darin eine
Geldverschwendung sehen,
dass das Geld
anderweitig besser
eingesetzt werden
sollte, z.B. für Sozial-
und Jugendprojekte.
Letztlich ist darin auch
ein „ohnmächtiger Zorn“
gegen die „Mächtigen“ zu
sehen.
RS:
Erklärt das auch das
„Abfackeln von Autos“,
das in vielen Städten
Europa (Paris,
Berlin...) festzustellen
ist.
Worliczek: Ja, diese
Ohnmacht, keinen
Einfluss auf die
gesellschaftliche
Entwicklung zu haben,
dürfte dies verstärken.
RS:
Was tun? Gibt es eine
Lösung? Wer muss was
tun?
Worliczek: Letztlich
werden sich Vandalenakte
nur vermindern lassen,
wenn Betroffene
einbezogen werden und
ihnen auch „eine Stimme
verliehen wird“.Wenn es
gelingt, Stadtteilarbeit
so aufzubauen, dass es
andere
Gestaltungsmöglichkeiten
gibt, z.B. für
Graffiti-Sprayer ein
Ventil zu öffnen und
daraus eine Kunst im
Straßenraum auf gut
einsehbaren Plätzen zu
machen, die von allen
beachtet wird.
RS:
Ist die Politik
gefordert?
Worliczek: Natürlich.
Vandalismus ist ein
Ausdruck unserer
Gesellschaft, der oft
gespeist wird durch Hass
und Neid auf die
Besitzenden und deren
Statussymbole. Eine
gerechtere „Welt“ könnte
da viel bewegen.
Vandalismus ist aber
auch ein Ausdruck von
Ohnmacht und
Hoffnungslosigkeit!
RS:
Wir danken Ihnen für das
Gespräch und wünschen
Ihnen, dass Sie durch
Ihre Berater-Arbeit
einen positiven Beitrag
leisten können.
Sicherheit und Vandalismus
„Null-Toleranz“ und „mehr Personal und Polizei“
von
Karl Schambureck
Die Ermordung (Die
Verteidigung wird
natürlich auf
absichtliche schwere
Körperverletzung mit
Todesfolge plädieren)
eines Fahrgastes der
Münchner S-Bahn im
vergangenen September
hat das Problem der
Sicherheit in
erschreckender Weise
aufgezeigt. „S- und
U-Bahnen sind
gefährliche Orte“,
schrieb die deutsche
Wochenzeitung stern (Nr.
40/2009), und weiters:
„Die Angst fährt mit!“.
Übertreibung? Leider
nein. Gewaltakte gegen
Fahrgäste und
Bahnpersonal häufen
sich, ebenso Bedrohungen
und Belästigungen. Ein
unabwendbares Phänomen?
Sicher nicht!
„Null-Toleranz“
und „mehr Personal
und Polizei“ lauten
die Zauberformeln. New
York macht es vor: Die
dortige U-Bahn ist
achtmal sicherer als
Münchens Busse und
Bahnen – und gar 35-mal
sicherer als Berlins
öffentliche
Verkehrsmittel (Stern
Nr. 40/2009).
Außerdem: Jeder weiß es,
sei es aus
Zeitungsberichten oder
aus persönlicher
Erfahrung: Der
Vandalismus nimmt in
erschreckendem Ausmaß
zu. Verwüstete
Stationen, Wagen und Züge
und beschädigte Busse
sind unübersehbare
Phänomene.
Null-Toleranz – das
heißt daher klar und
eindeutig auch: keine
Sauf- Orgien
(„Vorglühen“ für die
folgende Party, wie es
im Jugend-Jargon genannt
wird), keine Pöbeleien,
keine Sachbeschädigungen
in Zügen und auf
Bahnhöfen.
Es ist notwendig, auf
diese Probleme näher
einzugehen, auch wenn
eine
Eisenbahn-Fachzeitung
selbstverständlich kein
Medium für Soziologie
und Rechtsphilosophie
ist.
Eine Facette des
Vandalismus, die am
Beispiel der Berliner
S-Bahn besonders
erkennbar ist: total
zerkratzte Fenster und
Graffiti bis zu komplett
zugesprühten
Seitenflächen der
Waggons. Sie stellen
eine nicht tolerierbare
Gewalt gegen Fahrgäste
und das Personal der
Verkehrsbetriebe dar und
sind eine Mischung aus
maßloser
Selbstüberschätzung und
Imponiergehabe.
Verharmlosung und
Beschwichtigungsversuche
seitens der Politik sind
dabei keineswegs
angebracht und müssen
nachdrücklich
zurückgewiesen werden.
Halten wir fest: Lange,
allzu lange, hat man bei
Vandalismus
unangemessenes
Verständnis für die
Täter gezeigt, hat man
Graffiti aus falsch
verstandener und
weltfremder
Sozialromantik als
Jugendkultur und -kunst
verharmlost. Wer solches
behauptet, muss sich
allerdings eine Frage
gefallen lassen: Was
würde wohl geschehen,
wenn ich auf die Idee
käme, die Bekleidung
oder die
Wohnungseinrichtung
eines Sprayers zu
bemalen? Wie wäre denn
da die Reaktion des
Betroffenen?
Wohlwollendes
Verständnis? Sicher
nicht!
Dabei liegt die
Problematik natürlich
tiefer: Wenn sich
Jugendkultur auf das
Beschmieren von Zügen
und Stationen
beschränkt, dann ist es
durchaus gerechtfertigt,
mit Besorgnis in die
Zukunft zu blicken,
sogar mit sehr großer
Besorgnis. Pessimismus?
Nein, Realismus!
Nun fordern endlich auch
anerkannte
links-liberale
Publikationen wie der
SPIEGEL und die ZEIT
härteres Durchgreifen –
verständlich!
Bewährungsstrafen
erweisen sich in der
Mehrzahl der Fälle als
wirkungslos, die Täter
warten das Ende der
Bewährungszeit einfach
gezielt ab und machen
nachher unbeeindruckt
weiter. Schlimmer noch,
einen solchen Staat
nehmen Jugendliche nicht
ernst, können ihn auch
nicht ernst nehmen.
Also, wie lange will
sich der Rechtsstaat
noch verhöhnen lassen?
Stellen unbedingt
ausgesprochene
Freiheitsstrafen demnach
die Lösung dar? Sicher
nicht! Gemeinnützige
Leistungen und/oder
psychologische Betreuung
dürften sich als
geeignetere
Instrumentarien erweisen
und sollten auch
konsequent angewandt
werden.
Wer gegen
Sachbeschädigungen
auftritt, handelt im
Sinne einer Rechtsnorm,
wie sie in zivilisierten
Staaten allgemein
anerkannt ist. Mit der
Einforderung blinder
Disziplin, willkürlicher
Autorität oder gar
Unterdrückung hat dies
nicht im Geringsten zu
tun. „Nur wer
Verantwortung zeigt,
kann auch als Mitglied
unserer Gesellschaft
leben“, sagt Jesper Juul,
einer der bekanntesten
Experten Europas für die
Thematik „Familie und
Jugend“ [Salzburger
Nachrichten, 4. April
2009]. Dem ist nichts
mehr hinzuzufügen.
Darüber hinaus stellt
sich eine zusätzliche
Frage: Haben die
Verkehrsbetriebe alle
Möglichkeiten, die ihnen
zur Verfügung stehen,
ausgeschöpft? Keineswegs
– in zweifacher
Hinsicht! Unzureichend
gesicherte Abstellhallen
und -plätze ermöglichen
Vandalen ein leichtes
Betreten des
Betriebsgeländes. Und
ein einzelner Security-
Mitarbeiter, der in der
Nacht einen abgestellten
Railjet bewachen soll,
steht von vornherein auf
verlorenem Posten.
Patrouillen mit Hunden
wären da schon
effizienter. Wer hier
spart, tut dies am
falschen Platze.
Warum wird nicht
gehandelt? Ist es
Gleichgültigkeit,
Bequemlichkeit oder
einfach nur Unfähigkeit?
Vor allem aber
kristallisiert sich
immer häufiger heraus,
dass unbesetzte Bahnhöfe
und schaffnerlose Züge
gleichsam einen
Tummelplatz für Rowdies
darstellen. Nicht ohne
Grund spricht man von
Geisterbahnhöfen und
Geisterzügen. Es wäre
daher allerhöchste Zeit,
umzudenken und eine
Trendwende einzuleiten.
Video-Überwachung kann
eine additive Maßnahme
darstellen, ersetzt aber
nicht den Menschen!
Höchstes Lob muss daher
der Betriebsleitung der
Salzburger Lokalbahn und
der Pinzgauer Lokalbahn
ausgesprochen werden,
die konsequent am
Schaffnerbetrieb
festgehalten haben. Für
eine „menschliche“ Bahn
gäbe es allerdings noch
einen anderen Grund.
Machen wir einen
Abstecher in die Theorie
der Makro-Ökonomie. Der
Wohlstand eines jeden
Staates resultiert
grundsätzlich aus zwei
Komponenten, nämlich aus
Dienstleistungen und aus
dem Schaffen materieller
Werte. Kein Gemeinwesen
kann es sich somit auf
Dauer leisten,
qualifizierte
Arbeitnehmer frühzeitig
in Pension zu schicken
oder in der
Arbeitslosigkeit zu
belassen. Staatlichen
Unternehmen, auch wenn
sie formal in der
Rechtsform einer
Aktiengesellschaft
geführt werden, und
staatsnahen Betrieben
kommt daher eine
Leitfunktion zu – in
gesamtwirtschaftlicher
wie auch
beschäftigungspolitischer
Hinsicht. Für die ÖBB
ist dies offenbar ohne
Bedeutung: Mit
Personalabbau schönt man
die Bilanz und bürdet
den
Sozialversicherungen,
die vom Staat
subventioniert werden
müssen, damit weitere
Lasten auf –
Defizitverschiebung in
reinster Form.
Wer schützt die Fahrgäste?
Videoüberwachung und Notrufsäulen als Allheilmittel?
von
Michael Behringer
Die Angst vor Gewalt und
Belästigung in Zügen und
im Bahnhofsbereich ist
in den letzten Jahren
erheblich gestiegen und
hat speziell in den
Abendstunden zu einem
drastischen Rückgang an
Fahrgästen geführt.
Aktuelle Beispiele
untermauern leider die
Befürchtungen so mancher
Mitbürger, und speziell
nach dem Vorfall in
München-Solln ist eine
bundesweite
Sicherheitsdebatte in
Deutschland entbrannt,
die von Rufen nach
härteren Strafen bis hin
zu technisch optimierten
Überwachungssystemen
begleitet ist. Eine
Patentlösung haben weder
die Politik noch die
einzelnen Bahnverkehrs-
und
Infrastruktur-Unternehmen
bisher gefunden.
Vielfach scheitert es am
Geld, teilweise auch an
den unterschiedlichen
Kompetenzbereichen nach
der Bahnreform. In einem
Punkt herrscht zwischen
Flensburg und Garmisch,
zwischen Rhein und Donau
Einigkeit: Kein
technisches System ist
in der Lage, bei den
Fahrgästen ein
ausreichendes
Sicherheitsgefühl zu
erzeugen, und das aus
gutem Grunde.
Die Videoüberwachung
wird oft als
Allheilmittel gepriesen.
Wie funktioniert sie
eigentlich wirklich?
• Die PASSIVE
ÜBERWACHUNG registriert
und speichert an gezielt
ausgewählten
neuralgischen Punkten
den Geschehensablauf. Es
können an Hand der
technischen
Aufzeichnungen Vorfälle
rekonstruiert und im
Optimalfall sogar die
Täter durch
Bildvergleiche überführt
werden. In einem akuten
Notfall sind diese
Aufzeichnungen aber
wertlos, da niemand sie
zeitnah einsehen und
spontan reagieren kann.
Sie dienen allenfalls
zur Abschreckung
potenzieller Täter, die
Angst vor dem
nachträglichen Entdeckt
werden haben, mehr
bewirken sie aber nicht.
Der Gedanke von
Abschreckung und Sühne
allein hat aber in der
Rechtsgeschichte kaum
merkbare positive
Auswirkungen gezeigt.
• Eine AKTIVE
VIDEOÜBERWACHUNG
funktioniert nur dann,
wenn die Kamerabilder in
ein Büro übertragen
werden, wo ein
Mitarbeiter ständig das
Geschehen beobachtet und
spontan reagieren kann,
zum Beispiel durch
Absetzung von Notrufen
und Bereitstellung von
Sicherheitskräften.
Selbstverständlich
werden an vielen
Bahnhöfen die Bahnsteige
und deren Zugänge aktiv
überwacht, zum Beispiel
von einer zentralen
Bahnsteigaufsicht an
größeren Stationen. Der
Fahrdienstleiter, der
die Zugsicherung
unmittelbar herstellen
und überwachen muss,
kann nicht zusätzlich
mit Aufgaben betraut
werden, die eigentlich
zum Bereich Service
gehören. In Deutschland
wird der
Fahrdienstleiter von der
DB Netz AG beschäftigt,
während die Bahnsteige
und die Warte-Anlagen an
den Bahnhöfen zur
eigenständigen
Gesellschaft „DB
Stationen und Service“
gehören. Also arbeiten
hier schon zwei
verschiedene Stellen mit
getrenntem Personal
unter verschiedener
Aufgabenstellung
nebeneinander. Die
sicherheitspolizeilichen
Aufgaben an Bahnanlagen
obliegt in Deutschland
der Bundespolizei, die
zwar (noch, aber nicht
zwingend) an
verschiedenen
Knotenbahnhöfen durch
ein Inspektionsbüro
präsent ist, die übrigen
Bahnhöfe und
Gleisanlagen aber nur
durch Streifenfahrten
kontrollieren kann. Die
Bahnhöfe außerhalb
großer Knoten sind oft
nicht mit Personal
besetzt, da –
zugsicherungstechnisch
meist ferngesteuert –
eine lokale
Betriebsabwicklung nicht
mehr notwendig ist. Hier
ist das Zugpersonal der
einzige Ansprechpartner
für Fahrgäste. Bei
schaffnerlosem Betrieb
ist der Fahrgast mit
allen Problemen allein
auf sich gestellt.
Der Mensch ist somit
unersetzbar. Auch wenn
gegen Angriffe
bewaffneter Täter oder
organisierter Verbrecher
sicher der einzelne
Eisenbahner auch nicht
viel ausrichten kann,
vermittelt er doch das
Gefühl der Sicherheit.
Für alltägliche
Störungen wie durch
Fehlverhalten
Betrunkener oder das
überschießende
Temperament von
Jugendlichen, die sonst
keine kriminelle Ader
haben, ist ein präsenter
Eisenbahner darüber
hinaus noch Vermittler
und Mediator in
Konfliktsituationen,
sodass generell die
Forderung zu erheben
ist, wieder mehr
Personal zur Verfügung
zu stellen, die Schalter
nicht um 18 Uhr zu
schließen, die Bahnhöfe
nicht an Investoren zu
verkaufen, sondern sie
an Geschäfte und
Gaststätten zu
vermieten, die auch
abends noch geöffnet
haben. Selbst in
Kleinstädten soll
versucht werden, eine
Taxizentrale am Bahnhof
zu installieren, um mehr
Personenpräsenz zu
gewährleisten. Das
Zugpersonal soll darauf
sensibilisiert werden,
die Wartebereiche von
Bahnhöfen zu beobachten,
und Zusammenkünfte von
Personengruppen, die
augenscheinlich nicht zu
den Fahrgästen gehören
(Saufgelage,
Jugendtreffs etc.),
weitermelden, damit
zuständiges Personal
seitens der
Bahninfrastruktur oder
der Sicherheitsorgane
das Hausrecht höflich,
aber konsequent
durchsetzen kann. Die
Bayerische
Ausschreibungspraxis,
immer mehr Züge wieder
mit Zugbegleiter fahren
zu lassen, trägt zudem
für echte und gefühlte
Sicherheit der Fahrgäste
bei.
Brüssel: Hochwertige Ausstattung
reduzierte Vandalismus
von
Robert Schrempf
Einen ungewöhnlichen,
aber erfolgreichen Weg
beschritten die
Brüsseler
Verkehrsbetriebe (STIB /
Societé des Transports
Intercommunaux de
Bruxelles) zur
Reduzierung von
Vandalismusschäden. Die
von BOMBARDIER
Transportation
gefertigten 170 FLEXITY
Outlook-Niederflurstraßenbahnen
verfügen über ein
intelligentes
Raumkonzept. Die
besonderen Merkmale der
hochwertig
ausgestatteten
Innenräume sind:
Ledersitze,
Edelholzpaneele an den
Decken und eine
indirekte Beleuchtung,
die bei Dunkelheit in
den silbergrauen
Seitenwänden schimmert.
Aber auch eine
Ausrüstung mit
Video-Überwachung wirkt
positiv auf die
Fahrgäste. „Der
Vandalismus ist um 40 %
zurückgegangen“,
berichtete stolz der
Fahrzeugdesigner Axel
Enthoven (Chef des
Designbüros Enthoven
Associates aus
Antwerpen).
Im Oktober 2009 wurden
zwei Flexity Outlook –
Bahnen der STIB nach
Nordamerika verschifft.
Die Fahrzeuge werden
während der Olympischen
und Paralympischen
Winterspiele 2010 in
Vancouver täglich im
Einsatz sein.
Die STIB bedient als
größter öffentlicher
Verkehrsbetrieb Belgiens
die 19 Gemeinden der
Hauptstadtregion Brüssel
sowie elf weitere
umliegende Gemeinden.
Sie deckt ein
Einsatzgebiet von 241,5
km2 ab und erbringt
Beförderungsleistungen
für mehr als 1,1
Millionen Einwohner und
Tausende von Pendlern.
Das Netz der STIB
umfasst 4 Metro-Linien,
20 Straßenbahnlinien, 50
Buslinien und 17
Nachtbuslinien. 2008
entschieden sich über
286,1 Millionen Menschen
zur Fortbewegung in der
Hauptstadtregion für den
öffentlichen Nahverkehr.
Zwischen 1999 und 2008
stieg das
Fahrgastaufkommen der
STIB um 80 %. Diese
spektakuläre Entwicklung
ist in Europa nahezu
beispiellos.
Usedomer Bäderbahn:
90 % Aufklärungsquote
Fahrzeuge mit Graffiti
werden sofort aus dem
Verkehr gezogen
von
Jörgen Boße
Bei der Usedomer
Bäderbahn treten
jährlich Schäden in
einer Größenordnung von
ca. 50.000 Euro durch
Vandalismus auf.
Schwerpunkte sind dabei
die Zerstörung von
Bahnsteig-Einrichtungen
(Scheiben von
Wartehäusern, Bänke,
Schaukästen) und
Graffiti an Fahrzeugen
und ortsfesten Anlagen
(Brücken, Gebäude und
Schalthäuser von
Bahnübergängen).
Trotzdem gelingt es uns,
ein sauberes Image zu
pflegen.
Zum einen sind wir in
Tourismusregionen mit
überwiegend ländlicher
Prägung tätig, und zum
anderen ist es unser
Bestreben, die Schäden
sehr schnell zu
beseitigen. Die für uns
zuständige Bundespolizei
hat sich bereits
beschwert, dass wir
schneller mit dem
Beseitigen von Graffitis
waren als sie mit der
Beweisaufnahme, sodass
wir die Schäden jetzt
erst nach der Freigabe
durch die Bundespolizei
beseitigen. Diese ist im
Übrigen sehr an der
Aufklärung und
Verfolgung der
Straftaten durch
Vandalismus
interessiert.
|
Für Graffiti an den Fahrzeugen gilt bei uns eine eiserne Regel:
Fahrzeuge mit Graffiti werden sofort aus dem Verkehr gezogen,
die Graffiti werden beseitigt.
Foto: UBB |
Über 90 Prozent aller
Straftaten in unserem
Bereich werden durch die
Bundespolizei
aufgeklärt. Darüber
hinaus ist durch die
Grenznähe eine
Prävention durch die
Streifen der
Bundespolizei
gewährleistet.
Eine Analyse der
Straftaten hat ergeben,
dass Graffiti-Schäden im
Wesentlichen durch
nicht-einheimische Täter
verursacht werden,
während Zerstörungen von
Bahnsteigeinrichtungen
in der Regel auf
einheimische jugendliche
Täter zurückzuführen
sind. Darüber hinaus
lassen sich
Schwerpunktzeiten
feststellen. Dazu
gehören die verlängerten
Wochenenden um Ostern,
Pfingsten und Christi
Himmelfahrt.
Unsere Mitarbeiter
melden sofort jeden
Schaden an die
Bundespolizei und die
Betriebszentrale der UBB.
Für Graffiti an den
Fahrzeugen gilt bei uns
eine eiserne Regel:
Fahrzeuge mit Graffiti
werden sofort aus dem
Verkehr gezogen, die
Graffiti werden
beseitigt. Sollten nicht
genügend Fahrzeuge für
den Verkehr
bereitstehen, wird auch
dann kein Fahrzeug mit
Graffiti zum Einsatz
gebracht, sondern
Schienenersatzverkehr
mit Bussen angeordnet.
Graffiti an Gebäuden
werden durch unsere
Gleisbau- bzw.
Hausmeistergruppe sofort
mit weißer Farbe
überpinselt. Dazu sind
alle Fahrzeuge dieser
Bereiche entsprechend
ausgerüstet. Von Vorteil
ist dabei unser
einheitliches
Erscheinungsbild mit den
Farben Blau und Weiß.
Wir gehen davon aus,
dass nur die schnelle
Beseitigung von Graffiti
und anderen Schäden
dauerhaft Erfolg bringt.
Die Erfahrung hat uns
dies bestätigt. Dort, wo
Schäden beseitigt sind,
sinkt die Hemmschwelle
deutlich, weitere
Schäden hinzuzufügen.
Vandalismus an Autobushaltestellen |
Hallo – ich bin
Deine
Haltestelle und
ich kann Dir aus
meinem Leben als
stationärer
Außendienstmitarbeiter
der
Verkehrsunternehmen
zum Thema
Vandalismus so
manches
erzählen:
So steh’ ich da,
ausgestattet mit
einem Masten,
dem
Haltestellenzeichen
“Löffel” und
einem
Fahrplanhalter.
Und manchmal bin
ich zusätzlich
mit einem
Mistkübel und
auch mit einem
Fahrgastunterstand
ausgestattet.
Und als neuere
Ausführung steh’
ich als Stele
da.
Was mich – und
auch die
Fahrgäste – aber
stört, ist wie
man oft mit mir
umgeht. Da werd’
ich ganz schön
ramponiert. Mein
Haltestellenzeichen
mit dem
Haltestellennamen
und dem Hinweis
auf das
Unternehmen, das
mich bedient,
wird verbogen,
beschmiert oder
mit diversen
Klebepickerln
verunziert. Mein
Fahrplanhalter
wird ebenfalls
verschmiert,
oder es werden
einfach Leisten
herausgerissen.
Oder die kleinen
Schrauben, die
den Fahrplan im
Halter halten –
die werden auch
schon entwedet.
Ist der Fahrplan
auch noch in
Kunststoffhüllen
verpackt, so
werden diese
thermisch
beschädigt oder
ebenfalls mit
Klebepickerln
beklebt oder mit
anderen Mitteln
zweckentfremdet.
Auch mein Mast
wird sehr gerne
verunstaltet.
Der
Fahrgastunterstand
- meist schön
verglast – wird
immer mehr ein
Opfer des
Vandalismus. Und
da ist es immer
wieder ist es
das gleiche:
Beschmierungen,
Beklebungen und
Glasbruch.
Am schlimmsten
ist jedoch der
„Fahrplanklau“.
Es ist ärgerlich
ist, dass ich
meine Fahrgäste
nicht
informieren kann
und meine
Betreuer
zig-male mich
besuchen, um
mich mit neuen
Fahrplänen zu
versorgen. Dabei
gibt es Dank des
Internets die
Möglichkeit, die
Fahrpläne von
den
verschiedenen
Internetseiten
herunterzuladen.
Und dass die
Betreung und
Instandhaltung
somit sehr viel
Geld kostet,
brauch’ ich
jetzt nicht
weiter
auszuführen.
Bleibt mir nur
als Wunsch, dass
alle Fahrgäste
sich meiner
Funktion als
Haltestelle
bewusst sind und
mich auch so
behandeln.
Deine
Haltestelle. |
Sicherheit steht an erster Stelle
Die ÖBB gehen konsequent gegen Vandalismus vor
von
Thomas Berger
Aufgebrochene Automaten,
eingeschlagene Fenster,
Beschädigung von Zügen –
so wie viele andere
Unternehmen bleiben auch
die ÖBB nicht von
Vandalenakten verschont.
Um die Anzahl der Fälle
zu reduzieren, werden
unterschiedliche
Maßnahmen gesetzt, denn
die Kunden und
Mitarbeiter haben
Anspruch auf Sicherheit
und auf die der Bahn
anvertrauten Güter. Und
diese Maßnahmen zeigen
Wirkung.
Oberstes Ziel:
Sicherheit
Wer mit der Bahn
verreist, will das mit
dem Gefühl der
Sicherheit tun. Graffiti
und zerkratzte
Fensterscheiben in den
Zügen wirken negativ auf
das subjektive
Sicherheitsgefühl der
Kunden. Viele Fahrgäste
fühlen sich in
verschmutzten und
zerstörten Fahrzeugen
unsicher.
ÖBB-Konzernsicherheit,
so heißt die Abteilung
der ÖBBPersonenverkehr
AG, die sich Tag für Tag
für die Sicherheit der
Bahnkunden einsetzt. Im
Zentrum der Arbeit
stehen Aufklärung und
Verhütung von
kriminellen Übergriffen
und Delikten, mit dem
Ziel, die Sicherheit des
ÖBB-Konzerns, seiner
Kunden und seiner
Mitarbeiter aufrecht zu
erhalten und ständig zu
verbessern – wobei
Präventionsmaßnahmen
hier eine essenzielle
Bedeutung haben.
Konsequent gegen
Vandalen
In den vergangenen
Jahren konnte mit Hilfe
von
Videoüberwachungskameras
und Sicherheitspersonal
viel erreicht und die
Zahl der Vorfälle stark
reduziert werden.Waren
es 2008 noch 1273
Vorfälle, konnte die
Anzahl 2009 fast
halbiert werden. Bis
November 2009 wurden 644
Vorfälle gemeldet.
Videokameras halten aber
nicht nur Vandalismus
von Zügen, Gebäuden und
Schienen fern, sie
ermöglichen auch die
verbesserte Aufklärung
von Straftaten. Neben
Kameras kommen auch
Sicherheitskräfte der
ÖBB-Tochterfirma Mungos
zum Einsatz, die auf
alle größeren Bahnhöfen
in Österreich während
der Öffnungszeiten ein
wachsames Auge haben.
Gute Zusammenarbeit
mit der Exekutive
Da es sich bei
Vandalismus nicht um ein
bahnspezifisches Problem
handelt, bedarf es der
Zusammenarbeit mit
Polizei und Behörden.
Deshalb stehen die
Mitarbeiter der
ÖBB-Konzernsicherheit
auch in engem Kontakt
mit der Exekutive.
In einer zentralen
internen Datenbank
werden alle gemeldeten
Vorfälle erfasst und
analysiert und darauf
aufbauend,
Gegenmaßnahmen zur
Täterausforschung
ausgearbeitet.
Durch Einsatz von
Videoüberwachungen in
Abstellanlagen werden
Sachbeschädigungen
rückläufig, gemeinsame
Streifen mit Polizei und
ÖBB-Konzernsicherheit
wirken präventiv.
|
Aktueller Fall:
Vandalismus am Wiener Südbahnhof:
Durch einen Vandalismusakt am Wiener Südbahnhof Ende
Dezember 2009 entstand an 19 Wagen ein Schaden von
rund 450.000 Euro .
Quelle/Fotos (3): ÖBB |
London: Dichter Zugverkehr als Prävention
Fahrgäste stören „Graffiti-Künstler“
von
Ray King
(Übersetzung aus dem Englischen von
Jürgen Grosch)
Seit langem ist
Vandalismus ein Problem
auf vielen britischen
Bahnstationen. Besonders
davon betroffen sind
Stationen, auf denen es
kein Personal mehr gibt.
Zwei derartige Stationen
im östlichen London,
Cambridge Heath und
London Fields, wurden
deshalb fast zu „No-Go-Areas“
für normale Fahrgäste,
weil eine kleine Anzahl
asozialer Elemente die
Bahnhöfe für
Trinkgelage,
Drogen-Missbrauch und
für ihre
Graffiti-Aktivitäten in
Beschlag genommen
hatten. Die früheren
Schalterhallen und
Bahnsteig- Aufgänge
wurden außerdem, zum
Ärgernis der Fahrgäste,
zu illegalen Toiletten
umfunktioniert.
Das erste probate
Mittel, das Railwatch,
die
Mitglieder-Zeitschrift
der britischen
Organisation Railfuture,
vorschlug und auch
erreichte, um den
Vandalismus zu
reduzieren, war die
Verdichtung des
Zugverkehrs und damit
die Erhöhung der
Fahrgastzahlen auf
dieser Bahnlinie. Selbst
die schlimmsten
Übeltäter fühlten sich
nun von den vielen
Fahrgästen gestört,
zumal diese nun
obendrein als
Belastungszeugen in
Frage kamen.
Aber das Problem wurde
leider nicht dauerhaft
beseitigt, denn die
Anhebung der
Zugfrequenzen und die
Erhöhung der
Passagierzahlen
beschränkte sich
lediglich auf die
Hauptverkehrszeiten –
und das auch nur
wochentags. Tagsüber
fuhren immerhin sechs
Stunden lang keine Züge,
und am Wochenende gab es
überhaupt keinen
Zugsverkehr! Folge: Die
Vandalen kehrten zurück
und nahmen die Stationen
wieder in ihren
virtuellen Besitz. Sie
betrachteten jeden
Fahrgast als
Eindringling in ihr
Territorium.
Als die
Betreiber-Gesellschaft
National Express davon
überzeugt werden konnte,
alle 15 Minuten (…über
den ganzen Tag, und auch
am Wochenende) einen Zug
auf dieser Strecke
verkehren zu lassen,
erhöhte sich die Anzahl
der Fahrgäste
wesentlich. Die
jährlichen
Wachstumsraten steigen
seither enorm an. Die
jüngste Einführung der „Pay-As-You-Go“-Chipkarte
hat die Fahrgastzahlen
nochmals explodieren
lassen.
Darüber hinaus konnte
das Sicherheitsbedürfnis
der Fahrgäste wesentlich
verbessert werden, indem
ein wirksames
Video-Überwachungssystem
installiert wurde. Die
Bezirksverwaltung von
Hackney setzte sich mit
der Britischen
Bahnpolizei in
Verbindung. Beide
Partner richteten
gemeinsam in der Station
Hackney Downs eine
Leitstelle ein.
Zusätzlich werden
regelmäßige
Besprechungen zwischen
der Londoner
Stadtpolizei und der
Britischen Bahnpolizei
durchgeführt, und auf
den Stationen
patrouillieren seither
gemeinsam beide
Sicherheitskräfte
routinemäßig.
Ergänzend wurde die
Leitung eines nahe
gelegenen
Obdachlosenheims in die
Maßnahmen eingebunden.
Hier wohnen einige der
Vandalen. Die
Heimbewohner wurden
fortan von der
Heimleitung gewarnt,
dass im Falle weiterer
Vandalismus- Aktivitäten
mit Festnahmen zu
rechnen sei!
Die Graffiti-Aktivitäten
gingen ebenfalls stark
zurück, zumal die
„Kunstwerke“ innerhalb
kürzester Zeit
überstrichen wurden
(...meist noch am selben
Tag).
|
Diese Sorte weniger gelungener Graffiti in der Umgebung der
Station Cambridge Heath gehörten zum Repertoir der Vandalen.
Auf dem Mauerwerk kann dieses „Kunstwerk“ nur mühsam (und
teuer) entfernt werden.
Foto: Ray King |
Eine weitere Maßnahme
zur Erhöhung des
Sicherheitsgefühls ist
die Installation von
Notruf-Säulen auf den
Bahnsteigen, das
Anbringen von Spiegeln
für schlecht einsehbare
Abschnitte auf den
Bahnsteigen sowie die
zeitliche Verdichtung
der Wartungszeiten für
die Beleuchtung und die
technischen
Einrichtungen der
Bahnsteige und Zugänge.
Gleichermaßen werden
jetzt kleinere
Reparaturen oder
Malerarbeiten schnell
durchgeführt, damit gar
nicht erst der Eindruck
entsteht, die Stationen
würden verwahrlosen. Wie
auch immer, die
unzulängliche Reinigung
der Stationen war oft
ein Haupt-Übel für viele
Bahnbenutzer. Die
Organisation Railfuture
hat sich stark dafür
eingesetzt, diesen
unverzichtbaren Job bei
den Bahnbetreibern
einzufordern.
Verbesserungen wurden
erreicht, aber
Railfuture argumentiert
auch mit Recht:Wenn
Personal und Betreiber
die Stationen
verwahrlosen lassen,
sind weitere Schäden
vorprogrammiert!
|
Die intensiven Bemühungen von Railwatch machten aus der verwahrlosten
No-Go-Station den sauberen Bahnhof Cambridge
Heath.
Foto: Ray King |
Eine der
Langzeit-Unterstützungsmaßnahmen
der Organisation ist die
Empfehlung, aktuelle
Kunstobjekte in die
Stationen zu
integrieren. Es gibt
eine Gruppe namhafter
Künstler, die in der
Nähe der besagten
Bahnhöfe wohnen. Zur
Zeit arbeitet Railfuture
gerade daran, einen
Fonds bereitzustellen,
der es erlaubt,
Kunstwerke auf diesen
Stationen (…gut
gesichert) auszustellen.
RS interviewt Gunter Mackinger (Direktor der Salzburger Lokalbahn SLB) zum Thema „Vandalismus“
bei der Salzburger Lokalbahn und Pinzgauer Lokalbahn |
RS:
Gibt es
Vandalismusprobleme
bei der SLB?
Mackinger:
Ja, leider ist
die Tendenz der
Zerstörung auch
bei der
Salzburger
Lokalbahn
steigend. Vor
allem bei
abgestellten
Fahrzeugen
finden immer
wieder mutwillig
Zerstörungsakte
statt. Die
Verunstaltung
mit Graffiti ist
mittlerweile ein
echtes Problem.
RS:
Was unternimmt
die SLB bei
einem
Vandalismusakt?
Mackinger:
Wenn es zur
Zerstörung
gekommen ist,
wird einerseits
der Schaden
schnell
beseitigt, um
Nachahmungstäter
zu verhindern.
Andererseits
wird jede
Zerstörung zur
Anzeige
gebracht. Ziel
ist natürlich
die Ausforschung
der Täter.
Immerhin geht es
um erhebliche
Kosten.
RS:
Was kann
präventiv
gemacht werden?
Mackinger:
Die beste
Prävention ist
die Präsenz im
Zug, am Bahnhof,
bei den Kunden.
Unser
Schaffnerbetrieb
verhindert hier
sicher vieles.
In den Zügen
gibt es bei uns
keine Probleme.
Andererseits ist
auch das
Bewusstsein der
Bevölkerung
maßgeblich.
Steht die
Bevölkerung zu
ihrer Bahn, tun
sich potenzielle
Täter schwerer.
Gibt es kaum
noch Kunden und
ist die Bahn nur
noch eine
unbedeutende
Randerscheinung,
so stößt sich
die Bevölkerung
auch nicht mehr
an Grafitti und
Zerstörung.
RS:
Das bedeutet
Schaffnerbetrieb
in allen Zügen?
Mackinger:
Das wäre sicher
nicht nur im
Hinblick auf
Vandalismus
sinnvoll – es
spart nicht nur
Kosten zur
Beseitigung des
Vandalismus:
Wachdienste
werden
überflüssig,
teure Automaten
unnötig, das
Sicherheitsgefühl
der Fahrgäste
wird erhöht, und
das Image der
Bahn verbessert
sich nachhaltig.
Und das
verhindert auch
wiederum
Vandalismus. |
Die Autoren |
Dr. Alexander
G. Keul,
Jahrgang 1954,
promovierter
Meteorologe und
Psychologe, seit
1986
Umweltpsychologe
an der
Universität
Salzburg,
ebensolange an
der TU Wien.
Arbeitsgebiete:
Wohnen,
Lebensqualität,
Energiebewusstsein,
Wetter und
Klima.
Dipl.-Päd.
Dr. Wolfgang
Worliczek,
Gesundheitspsychologe
Berufliche
Tätigkeiten:
fachlicher
Leiter für
„Stressverarbeitung“
nach belastenden
Einsätzen für
Einsatzkräfte im
Österreichischen
Roten Kreuz,
Landesverband
Salzburg
Mitarbeiter im
Notfallakut-Team
des Roten
Kreuzes Salburg
als
Notfallpsychologe.
Dr. Karl
Schambureck,
Jurist und
Unternehmer.
Vielseitiges
verkehrspolitisches
Engagement, u.a.
für die Rettung
der Achenseebahn
und Pinzgaubahn.
Verkehrsplattform,
probahn
Österreich und
als
Redaktionsmitglied
der Regionalen
Schienen.
Michael
Behringer,
Rechtsanwalt i.R.,
Bund Naturschutz
in Bayern e.V.,
2. Vorsitzender
der Kreisgruppe
Berchtesgadener
Land, Sprecher
Arbeitskreis
Verkehr.
Redaktionsmitglied
der Regionalen
Schienen.
Jörgen Boße
Jahrgang
1963, begann
seine berufliche
Karriere als
Busfahrer bei
den Berliner
Verkehrsbetrieben.
Später war er
Projektleiter
bei der
Deutschen
Reichsbahn und
der Deutschen
Bahn AG. Seit
1995 ist er
Geschäftsführer
bei der Usedomer
Bäderbahn GmbH
und seit 2008
Geschäftsführer
der UBB Polska
Sp. Z. o. o.
Mag. Thomas
Berger,
Konzernkommunikation
ÖBB-Holding AG.
Ray King
ist Journalist.
Er ist
Mitherausgeber
der Zeitschrift
Railwatch, der
britischen
Organisation
Railfuture, die
mit probahn
Österreich
verglichen
werden kann.
Seit mehr als 20
Jahren kämpft
Ray King für
bessere
Bedingungen im
SPNV. Im Rahmen
dieser Kampagnen
setzt er sich
seit 13 Jahren
für die hier
beschriebenen
Stationen in
Londons Osten
ein. |
|