Die Kombilösung:
Karlsruher
Stadtbahntunnel im Bau
Drastisch steigende Fahrgastzahlen erzwingen Tunnellösung
von
Robert Schrempf,
RS-Redakteur
Beliebt und belebt – die
Kaiserstraße in
Karlsruhe ist eine
vielseitige
Einkaufsstraße direkt im
Herzen der Stadt und Tag
für Tag Dreh- und
Angelpunkt des
Öffentlichen
Personennahverkehrs. Die
Stadtregionalbahnen
fahren durch die Stadt
auf Straßenbahngleisen
und umsteigefrei auf
Eisenbahnstrecken weiter
in das Einzugsgebiet.
Im Karlsruher System
steigt nicht der
Fahrgast um, sondern die
Bahn wechselt ihr
System, so lautet die
Maxime. In den letzten
zwei Jahrzehnten wurden
immer mehr Linien aus
der Region zusammen mit
den städtischen durch
die Fußgängerzone, die
Kaiserstraße, geführt.
Im Schnitt verkehrt in
den Hauptverkehrszeiten
jede Minute eine Bahn
pro Richtung, was zu
drastisch steigenden
Fahrgastzahlen führte.
1985 waren 55 Millionen
Menschen mit dem
Karlsruher
Verkehrsverbund (KVV)
unterwegs, 2003 rund 100
Millionen, 2011 bereits
über 177 Millionen! Die
Schienen-
Hauptverkehrsachse
gelangte an die Grenze
ihrer Belastbarkeit,
folglich kommt es häufig
zur Pulkbildung, die
Bahnen fahren dicht auf.
Verspätungen aufgrund
Wartezeiten vor
Haltestellen und
Signalanlagen nahmen zu.
In Zukunft soll eine
Tunnellösung das
Stadtzentrum vor einem
ÖV-Kollaps bewahren. Die
oberbadische Metropole
(300.000 Einwohner)
investiert in die
sogenannte
„Kombilösung“. Die
Kaiserstraße wird
untertunnelt und in eine
schienenfreien
Flaniermeile
umgewandelt, zudem
erweitert eine zweite
Schienenachse durch die
Kriegsstraße das
innerstädtische Netz.
Mit erstklassiger
Verkehrs infrastruktur
und toller
Erlebnisqualität soll
Karlsruhe künftig noch
attraktiver sein.
Ein so großes kommunales
Infrastrukturprojekt wie
die Kombilösung bringt
eine lange Vorlaufzeit
von der Idee bis zum
Baubeginn mit sich. Die
ersten Überlegungen
hierzu begannen bereits
im Jahr 1970. Es wurden
im Lauf der Zeit etliche
Varianten ermittelt,
geprüft und diskutiert.
Nach Jahren des Planens,
des Untersuchens und
nachdem das erste
Projekt in einer
Bürgerabstimmung
gescheitert war,
entschied sich im
September 2002 die
Karlsruher Bevölkerung
mit einer Mehrheit von
55,55 % für den Bau der
Kombilösung. Dem folgte
2003 die Gründung der
Karlsruher
Schieneninfrastruktur-Gesellschaft
(KASIG) als ein
Unternehmen der Stadt
Karlsruhe und Bauherr
für das Projekt. Der
Baustart erfolgte am 21.
Januar 2010 mit dem
Spatenstich auf dem
Europaplatz.
Mehr Mobilität und mehr
Shopping-Spaß
Die Kombilösung
besteht aus zwei
Einzelprojekten:
• einem 2,4 km langen
Straßenbahn-Tunnel unter
der Kaiserstraße vom
Durlacher Tor im Osten
bis zum Mühlburger Tor
im Westen, mit einer
einen Kilometer langen
Südabzweigung am
Marktplatz Richtung
Hauptbahnhof bis zur
Augartenstraße
• dem Umbau der
Kriegsstraße mit einem
1,4 km langen
Straßentunnel und einer
neuen Straßenbahntrasse
als zweite
Ost-West-Route über
diesem Tunnel. Die in
rund 500 Meter
Entfernung zur
Kaiserstraße parallel
verlaufende Kriegsstraße
bekommt zwischen
Mendelssohnplatz im
Osten und Karlstor im
Westen eine
Neugestaltung mit einer
begrünten
Straßenbahntrasse
zwischen Baumalleen, mit
jeder Menge Platz für
Radfahrer und Fußgänger
und damit viel
Wohlfühlatmosphäre für
die Anwohner.
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Der belebte Marktplatz heute (OBEN). . . und in Zukunft (UNTEN). Die unterirdischen Stationen werden hell und großzügig gestaltet sein.
OBEN: Wer in der Kaiserstraße zwischen den dicht hintereinander fahrenden Bahnen die Straßenseite wechseln will, sollte sich beeilen.
Fotos (2): Robert Schrempf & Graphik KASIG |
Während der mehrjährigen
Bauzeit wird nur an
Teilabschnitten des
Gesamtprojektes (acht
Bauphasen) gearbeitet,
um die
Beeinträchtigungen so
gering wie möglich zu
halten. Die sieben
unterirdischen
Haltestellen in 10 bis
14 Meter Tiefe entstehen
unter laufendem
Straßenbahnbetrieb in
Deckelbauweise, mehrere
Gleisverschwenkungen
sind dafür notwendig.
Zwischen den Stationen
wird der zweigleisige
Straßenbahntunnel unter
der Kaiserstraße mit
einer Tunnelbohrmaschine
vorangetrieben (9,4
Meter Außendurchmesser).
Wegen der Kürze der
Strecke wird die
Südabzweigung des
Stadtbahntunnels im
bergmännischen Verfahren
errichtet. In der
Ettlinger Straße wird
der Tunnelabschnitt
zwischen
Baumeisterstraße und
Augartenstraße in
offener Bauweise
hergestellt, wie auch
die Tunnelrampen und der
Straßentunnel.
Im Jahr 2017 soll der
Stadtbahntunnel
betriebsbereit ausgebaut
sein, bis 2019 entsteht
dann die
Entlastungsstrecke durch
die Kriegsstraße. So
lange verkehren auch
noch oberirdisch Bahnen
durch die Kaiserstraße,
denn im Tunnel erlaubt
die Zugsicherungsanlage
keine so dichte Zugfolge
mehr wie heute. Hinzu
kommt folgendes: Im
Unterschied zu
herkömmlichen U-Bahn-
Systemen beträgt der
durchschnittliche
Haltestellenabstand nur
400 Meter und weisen die
Triebwagen eine
geringere
Anfahrbeschleunigung
auf. Weiters bieten die
Hochflur-Stadtbahnfahrzeuge
keine barrierefreien
Einstiegsverhältnisse,
was den Fahrgastwechsel
verlangsamt. Für die
unterschiedlichen
Einstiegsverhältnisse
der Hoch- und
Niederflurfahrzeuge sind
infrastrukturelle
Anpassungen
erforderlich, es werden
in den unterirdischen
Stationen
unterschiedlich hohe
Bahnsteige errichtet.
Die hell, übersichtlich
und großzügig
gestalteten Stationen
werden auf 80 Meter
Länge 34 cm hohe
Bahnsteige und am Ende
auf 15 Meter Länge 55 cm
hohe Bahnsteige
aufweisen, um einen
barrierefreien Zugang in
alle Fahrzeuge zu
bieten.
Mehrkosten beim Bau
und im Betrieb
Die Kombilösung stellt
nicht nur ein
verkehrstechnisch und
städtebaulich
anspruchsvolles Projekt
dar, sie ist auch eine
nachhaltige
Zukunftsinvestition und
sichert Arbeitsplätze
für die ganze Region.
Höhere
Leistungsfähigkeit des
Stadtbahnnetzes,
verbesserter
Verkehrsfluss für
Autofahrer, höhere
Attraktivität der City
für Gäste und Besucher,
neue Perspektiven für
die ansässige Wirtschaft
und positive
Image-Effekte für die
Stadt sind die
wesentlichen Merkmale:
Die Kombilösung ist für
Karlsruhe von
unbezahlbarem Wert. Die
Gesamtkosten des
Projekts stiegen seit
dem Bürgerentscheid im
Jahr 2002 von 530 auf
641 Millionen Euro
(Stand: September 2011).
Die Kosten für den Bau
des Stadtbahntunnels
belaufen sich auf 452
Millionen Euro, für die
Umgestaltung der
Kriegsstraße werden
Kosten in Höhe von 189
Millionen Euro erwartet.
Der Bund beteiligt sich
mit 60% an den
förderfähigen Kosten,
das Land
Baden-Württemberg mit
20%. Die Zahlung der
restlichen Kosten, auch
bei einer weiteren
Kostensteigerung,
erfolgt durch die KASIG.
Der Tunnelbetrieb wird
gegenüber dem
oberirdischen Betrieb
jährlich zu 15 Millionen
Euro Mehrkosten führen,
die aus Wartungs- und
Betriebskosten für den
Betrieb (Rolltreppen,
Aufzüge, Klimatisierung,
Reinigung, Sicherheit)
und Rücklagen für die
Bauinstandhaltung
resultieren. Dem stehen
jährlich rund drei
Millionen Euro an
Ersparnis durch um vier
Minuten kürzere
Wagenumlaufzeiten
gegenüber.
Wie überall bei einem
Projekt dieser
Größenordnung formierte
sich auch hier eine
Gruppe von Gegnern.
Kritisch betrachtet,
stößt das ÖV-Vorbild an
seine Grenze, denn die
Untertage-Legung der
Gleise ist
erstaunlicherweise eine
Folge des Erfolgs des
beachtlich – und damit
„fast zu groß“ -
gewachsenen
Regionalstadtbahn-
Systems (rund 480 km).
Mit dem innovativen
Konzept „Karlsruher
System“ ist das gut
ausgebaute
innerstädtische
Straßenbahnnetz mit den
vorhandenen
Eisenbahnstrecken in der
Region verbunden. Damit
wurden attraktive
Verbindungen zwischen
Stadt und Umland
geschaffen – unter
weitgehender Nutzung
vorhandener
Infrastruktur und unter
Vermeidung aufwendiger
Investitionen für den
Neubau von Strecken. In
der Folge wollte jede
Umlandgemeinde an eine
Entwicklungsachse
angebunden sein und so
ihren Standort
aufwerten. Damit zeigte
der Erfolg dieses
Konzepts auch eine
Kehrseite: Es fahren so
viele S-Bahnen und
Straßenbahnen in engster
Zugfolge durch die
zentrale Kaiserstraße,
dass die Fußgängerzone
manchmal nur noch schwer
zu überqueren ist. Diese
Entwicklung trifft bei
Fachleuten nicht auf
uneingeschränkte Freude:
„Man hat die Innenstadt
zum Hauptbahnhof
gemacht“. Heute
relativiert sich
angesichts der enormen
Kosten für den
Stadtbahntunnel die
einstige Ansicht, das
Karlsruher Modell könne
mit wenig Aufwand und
Mitteln einen maximalen
Effekt erzielen.
Über die Kombilösung und
die einzelnen
Bauabschnitte des
Infrastruktur- Projektes
können sich
Interessierte am
Info-Pavillon am
Ettlinger Tor
informieren – und auf
der Internetseite unter
www.diekombiloesung.de
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